Sylt – Ein Traum wird wahr

Erstellt am 8.7.15. Kategorie: Reiseberichte

Sylt139Ein lang gehegter Traum wurde für mich Wirklichkeit: Die verregneten bayerischen Pfingstferien im Mai 2015 nutzten Jens und ich zu einem Kurztrip nach Sylt. Schon lange hatte ich mir gewünscht, diese Insel zu besuchen und zahlreiche Romane, die ich gelesen habe und die auf der Insel spielen (u.a. von Dora Heldt, Gisa Pauly und Gabriella Engelmann), haben diesen Wunsch zusätzlich befeuert. Unsere Kinder waren wie jedes Jahr an Pfingsten mit den Baldhamer Ministranten verreist und diese Zeit nutzen Jens und ich schon seit einigen Jahren gerne für einen Kurzurlaub zu zweit.

24. Mai, Pfingstsonntag: Anreise, Strand, Dünen und Gosch

Nachdem wir nun schon viele Ziele „abgegrast“ haben, die man in wenigen Stunden mit dem Auto erreichen kann, entschieden wir uns diesmal für eine Anreise per Flugzeug: Air Berlin fliegt nämlich mehrmals pro Woche direkt von München nach Westerland, die Flugzeit beträgt gerade mal eineinhalb Stunden. Mit dem Auto hätten wir einen ganzen Tag gebraucht, das hätte sich für vier Tage gar nicht rentiert. So aber kamen wir ganz entspannt und planmäßig am Nachmittag auf der Insel an.
Der Flughafen gefiel uns: eine Tür für Abflug, eine für Ankunft. Unsere kleine Propellermaschine landete direkt vor dem Gebäude, wir stiegen die Treppe aus dem Flugzeug hinunter aufs Rollfeld und gingen die wenigen Schritte bis zur Gepäckausgabe – alles ist dort deutlich kleiner als in München, aber dadurch auch überschaubarer und irgendwie sehr gemütlich.

Vor dem Flughafen warteten schon die Taxis, um die Urlauber zu ihren Hotels zu bringen, denn öffentliche Busverbindungen zwischen Flughafen und den Inselorten gibt es so gut wie gar nicht. Das macht aber nichts, denn die Wege sind kurz. In unserem Fall dauerte die Fahrt nach Wenningstedt zu unserem Hotel nicht einmal zehn Minuten. Im Hotel Westend wurden wir sehr herzlich begrüßt und unser gebuchtes Zimmer sah genau so hübsch aus wie auf den Fotos im Internet.
Sylt030Das Auspacken dauerte nicht lang und so waren wir schon exakt eine Stunde nach unserer Landung am Strand. Herrlich! Zwar war es nicht gerade warm (nur etwa 13 Grad), aber die Sonne schien und das allein war schon deutlich mehr, als wir die letzten Tage daheim in Bayern hatten. Schnell waren Schuhe und Strümpfe im Beutel verstaut und wir spazierten barfuß am langen, hellen Sandstrand entlang, links von uns die Nordsee, rechts die Dünen, vor uns das berühmte Rote Kliff. Der Wind wehte in einer Stärke, die gerade angenehm war, es duftete nach Meer – ich war glücklich!

Eine ganze Weile wanderten wir so am Wasser entlang, bis uns schließlich eine hölzerne Treppe dazu einlud, den Dünenweg zu erklimmen. Oben gingen wir dann den ganzen Weg zurück, immer durch die herrlichen Dünen, aber natürlich blieben wir dabei brav auf den vorgeschriebenen Wegen, denn die Dünen stehen unter Naturschutz. Von Osten grüßte der Kampener Leuchtturm zu uns herüber und als wir uns Wenningstedt näherten, sahen wir viele schöne Reetdachhäuser, die sich in die Dünen ducken, als würden sie sich in ein Nest einkuscheln.

Nach diesem langen Spaziergang war es Zeit, sich bei einem leckeren Abendessen zu stärken. Der Weg führte uns natürlich zu Gosch – schon daheim war das ein Lacher gewesen, denn jeder, dem wir von unserer geplanten Sylt-Reise erzählten, riet uns: „Ihr müsst unbedingt zu Gosch!“ Im Gegensatz zu Jens wusste ich dank meiner vielen Sylt-Romane auch genau, dass es sich dabei um eine Kette von Fischimbissbuden handelt, die nicht nur auf Sylt, sondern in ganz Norddeutschland bekannt ist. In Wenningstedt hat Gosch erst kürzlich ein neues Gebäude direkt an der Kliffkante gebaut. Es soll mit seiner Form an eine Welle erinnern, aber mich erinnerte es dank des grasbewachsenen Daches eher ans Teletubbie-Haus. Doch egal, vor dem Gebäude waren noch Plätze für uns frei, die wie alle übrigen Sitzgelegenheiten in Blickrichtung Westen und damit zum Meer und zum Sonnenuntergang ausgerichtet waren. Jens holte sich ein Bier und mir ein Glas Weißwein, dazu einen Teller mit Scampi und Baguette, ein Krabben- und ein Matjesbrötchen.

So saßen wir also eine ganze Weile inmitten anderer Urlauber in der Sonne, genossen das leckere Essen, den Blick aufs Meer und die gute Stimmung, die hier herrschte. Als es uns schließlich doch ein wenig zu kalt wurde, traten wir langsam den Rückweg zum Hotel an – nicht ohne unterwegs noch einige Fotos zu machen: zum einen von den vielen wunderschönen Reetdachhäusern, zum anderen von einigen Straßenschildern, die mich sehr an eine Buchreihe erinnerten, die auf Sylt spielt: In den „Mamma Carlotta“-Krimis von Gisa Pauly wohnt der Hauptkommissar Erik Wolf nämlich im Süder Wung in Wenningstedt, nur wenige Schritte von unserem Hotel entfernt. Den neuesten Band der Reihe, „Sonnendeck“, der erst Anfang Mai erschienen war, hatte ich mir extra für diese Reise aufgespart, um ihn quasi live vor Ort zu lesen. Und so bekam Jens in den kommenden Tagen von mir immer wieder Sätze zu hören wie: „In dieser Boutique hat Mamma Carlotta für ihre Kreuzfahrt eingekauft“ oder „Hier bei Feinkost Meyer kauft Mamma Carlotta immer die Zutaten für ihr leckeres Essen ein“. Jens trug es mit Fassung.

Den Abend ließen wir dann noch bei ein paar Runden im hoteleigenen kleinen Pool ausklingen, bevor wir müde in unsere Betten sanken.

25. Mai, Pfingstmontag: Friesenhäuser, ein alter Bunker, Schickimicki und ein idyllischer Dorfteich

Am nächsten Tag erwartete uns zunächst ein leckeres Frühstück im Wintergarten des Hotels. Gut gestärkt spazierten wir dann in die Hauptstraße zum Fahrradverleih. Das Wetter war schön und so wollten wir die Insel per Rad erkunden. Wir entschieden uns für e-Bikes, da an der Nordsee der Wind ja bekanntermaßen immer von vorne kommt und unsere Kondition dafür wohl sonst nicht ausgereicht hätte.
Die ersten Meter auf dem e-Bike waren also super aufregend, wir probierten die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten (Eco, Tour, Sport usw.) aus und kamen so ganz locker bis zum Sylt-Markt, einem Flohmarkt, der gerade in Wenningstedt stattfand. Wir wurden beide fündig: Jens kaufte sich ein kleines Holzboot, ich eine Handtasche. Und so radelten wir als nächstes erst einmal zurück zum Hotel, um unsere Neuerwerbungen dort abzustellen. Dann aber ging es auf dem Radweg entlang der Dünen weiter nach Westerland.
In Windeseile hatten wir den größten Ort der Insel erreicht. Hier stehen viele Hochhäuser, in deren Schatten es oft ungemütlich kühl ist. Mich erinnerte der Ort spontan ans holländische Nordwijk, wo wir vor einigen Jahren mal Urlaub gemacht hatten. Da Pfingstmontag und damit Feiertag war, waren die meisten Geschäfte geschlossen und wir konnten ungehindert durch die Friedrichstraße, Westerlands Haupteinkaufsmeile, radeln, bis wir schließlich den Bahnhof erreichten. Hier machten wir Fotos von den „Reisenden Riesen im Wind“, wie die grünen Skulpturen vor dem Bahnhof genannt werden.

Dann ging es weiter in Richtung Keitum. Der Weg führte zunächst an der Straße entlang, aber immerhin gab es einen separaten Fahrradweg, auf dem wir zügig voran kamen. Keitum wird oft als der schönste Ort der Insel bezeichnet, denn hier stehen wirklich wunder-wunderschöne Friesenhäuser mit reetgedeckten Dächern.

Wir drehten eine große Runde durch den Ort, bewunderten die schönen Häuser und machten schließlich Rast auf einem Parkplatz am Ortsrand. Dort gab es Bänke mit herrlichem Blick auf das Wattenmeer, das zwischen Sylt und dem Festland liegt. Im Gegensatz zur Nordsee an der Westküste Sylts strahlt das Wattenmeer im Osten eine wunderbare Ruhe aus. Eine ganze Weile saßen wir einfach nur da und genossen den Ausblick.

Dann aber meldete sich der Hunger und wir radelten zur „Kleinen Teestube“, die mir mehrere Reiseführer wärmstens empfohlen hatten – leider aber nicht nur mir, weshalb auf der Terrasse draußen sämtliche Plätze besetzt waren. Aber im Inneren des hübschen Friesenhauses fanden wir noch ein gemütliches Plätzchen.
Gut gestärkt setzten wir dann unsere Tour fort gen Norden. Das nächste Ziel war die Kirche Sankt Severin mit ihrem weithin sichtbaren markanten Kirchturm, der lange Zeit als Orientierungspunkt für die Schifffahrt und eine Weile auch als Gefängnis gedient hatte. Sehenswert ist nicht nur die Kirche selbst, die vermutlich im 12. Jahrhundert entstanden ist und als ältester erhaltener Sakralbau Schleswig-Holsteins gilt, sondern auch der Friedhof, auf dem viele Seefahrer ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, wie die historischen Grabsteine belegen.

Wir radelten weiter entlang der Munkmarscher Chaussee, von wo aus wir immer wieder herrliche Ausblicke auf das Wattenmeer hatten. Im Örtchen Munkmarsch ließen wir das noble Restaurant Fährhaus links liegen und genossen stattdessen den Blick über den kleinen Hafen und den schönen Strand, bevor wir wieder auf die Räder stiegen und weiter in Richtung Norden radelten.

Zwischen den Orten Braderup und Kampen erstreckt sich das Naturschutzgebiet Braderuper Heide und wieder ergab sich ein toller Blick auf den Leuchtturm von Kampen.
Sylt055Dann schließlich erreichten wir Kampen, den Ort, der wie kein anderer dafür verantwortlich ist, dass Sylt den Beinamen „die Insel der Reichen und Schönen“ trägt. Unser erster Eindruck von Kampen: viel Verkehr. Der Radweg mündet nämlich unversehens in die Hauptstraße. Nach der Beschaulichkeit auf den letzten Kilometern unserer Tour war es uns hier viel zu laut und zu hektisch. Also schnell rechts abbiegen in Richtung Wattenmeer und immer den Hinweisschildern zur „Kupferkanne“ folgen.
Die „Kupferkanne“ ist mir nicht nur aus meinen Büchern ein Begriff, auch unsere Vermieterin hatte uns das Café wärmstens ans Herz gelegt. Originell in einer ehemaligen Bunkeranlage entstanden, bietet die Terrasse einen schönen Blick aufs Wattenmeer und der leckere Kuchen wird weithin gerühmt. Aber auch hier war unser erster Eindruck eher abschreckend: Auf dem Parkplatz stritten sich zahlreiche Ausflügler um die letzten freien Autostellplätze, alles erweckte den Anschein eines typischen Bustourismus-Ausflugslokals, für unseren Geschmack also eher negativ.
Trotzdem stellten wir die Räder ab und besahen uns das Ganze aus der Nähe. Die Terrasse war, wie zu erwarten war, bis auf den letzten Platz besetzt. Also wanderten wir erstmal ein Stück weiter durch die Heidelandschaft, die das Lokal umgibt. Direkt am Wattenmeer sahen wir einige Reetdächer hinter hohen Hecken hervorlugen. Dies sind vermutlich die teuersten Grundstücke auf der ganzen Insel – welche Promis hier wohl wohnen? Mir schossen Bilder aus diversen Klatschblättern durch den Kopf. Ich bin eigentlich von Natur aus sehr selten auf irgendetwas oder irgendjemanden neidisch, aber so schön wohnen würde ich auch gerne!

Schließlich kehrten wir zurück zur „Kupferkanne“ und schon fast an den Rädern angekommen, beschlossen wir, doch noch kurz einen Blick ins Innere des Lokals zu werfen. Was für ein Glück! Denn uns erwarteten verwinkelte Kellergewölbe, die sehr gemütlich und einladend hergerichtet waren, und jede Menge freier Plätze in der Kaffeebar. Hier gab es zwar nur ein eingeschränktes Getränkeangebot (Cola und Fanta bekam man hier nicht, weshalb viele Gäste wieder nach oben gingen), aber die volle Auswahl an leckeren Kuchen, so dass wir uns hier doch noch zum Schlemmen niederließen. Dabei entwickelte sich auch noch eine sehr nette Unterhaltung mit der Kellnerin, die wie so viele auf dem Festland wohnt und jeden Tag zum Arbeiten auf die Insel fährt, weil sich kaum noch ein Einheimischer die Sylter Grundstückspreise leisten kann.

Nach dieser doch noch sehr lohnenden Rast radelten wir gut gestärkt zurück in die Ortsmitte und gaben uns die volle Dröhnung „Whiskymeile“: einmal Schaulaufen über den Strönwai, das kurze Sträßchen, an dem so bekannte Lokale wie das „Gogärtchen“ liegen und zahlreiche exklusive Boutiquen. Es war wirklich ein Schaulaufen, ein Sehen und Gesehen werden und damit so ganz und gar nicht unsere Welt. Wir waren froh, als wir am anderen Ende der Straße wieder auf unsere Räder steigen konnten (die wir im Gedränge am Strönwai schieben mussten).
Nächstes Ziel: die Uwe-Düne, mit 52,5 Metern der höchste Aussichtspunkt der Insel, benannt nach dem Sylter Freiheitskämpfer Uwe Jens Lornsen. Der Wind pfiff hier oben ziemlich kräftig, aber der Ausblick entschädigte dafür allemal. Wir hatten einen herrlichen Rundum-Panoramablick, sahen die Nordsee im Westen, das Wattenmeer im Osten. Im Norden reichte der Blick bis zum Hafen von List, im Süden über Wenningstedt hinweg bis zu den Hochhäusern von Westerland. Dabei fiel die Vielfältigkeit der Landschaft auf: heller Sandstrand und helle Dünen, grüne Wiesen, dunkle Heide, darüber der blaue Himmel und Wolken in allen Schattierungen von Weiß und Grau. Ich konnte mich gar nicht satt sehen. Die Fotos zeigen unseren Ausblick im Uhrzeigersinn, im Norden beginnend:

Der Rückweg von Kampen nach Wenningstedt führte sehr bequem auf einem Radweg fernab der Straßen quer durch die Dünenlandschaft. Am Wenningstedter Dorfteich…

…legten wir den nächsten Stopp ein, bevor wir schließlich zurück zum Hotel fuhren. Im Strandkorb auf der Terrasse erholten wir uns von unserer Tour, bevor wir am frühen Abend schließlich die Räder zurück zum Verleih brachten und im Wenningstedter Dorfkrug ein leckeres Abendessen genossen.

26. Mai: Ich hab das Paradies gefunden

Auch am nächsten Morgen stiegen wir wieder auf die e-Bikes. Unser Ziel heute: der nördlichste Ort Deutschlands, List. Der Weg führte uns zunächst wieder nach Kampen, vorbei an der Uwe-Düne und auf der ehemaligen Trasse der Inselbahn, die heute ein wunderschöner Radweg ist, bis zum nächsten Leuchtturm, dem Quermarkenfeuer Rotes Kliff. Nachdem wir ausgiebig Fotos von dem kleinen Leuchtturm und den nahe gelegenen, wunderschönen Reetdachhäusern gemacht hatten, ging es weiter nach Norden.

Wer glaubt, dass auf einer Nordseeinsel alles flach und eben ist, der täuscht sich: Da unser Weg durch die Dünen führte, ging es immer wieder bergauf und bergab und wir waren ausgesprochen dankbar für unseren Hilfsmotor. Schließlich erwartete uns heute eine Strecke von insgesamt rund 50 Kilometern! Eine gefühlte Ewigkeit radelten wir durch eine wahre Mondlandschaft: links und rechts des Weges erstreckte sich die Dünenlandschaft mit ganz dunklen, beinahe schon schwarzen Pflanzen. Durch den kräftigen Wind zogen auch die Wolken rasch über den Himmel, mal blitzte die Sonne durch, mal sah es so aus, als würde es gleich anfangen zu regnen. Nach etwa zehn Kilometern kreuzte der Radweg die Listlandstraße und wir mussten uns entscheiden: Rechts abbiegen auf die Straße und in den Ort List hinein oder weiter geradeaus durch die Dünen und in Richtung Ellenbogen? Wir entschieden uns für letzteres und damit für weitere zehn Kilometer Fahrt durch die Dünen bis zur äußersten Inselspitze, die wegen ihrer charakteristischen Form den Namen Ellenbogen trägt. Wir haben es nicht bereut. Zunächst einmal bewunderten wir die Wanderdüne, die östlich von uns weiß inmitten der dunklen Dünenlandschaft leuchtete:

Dann erreichten wir pünktlich mit dem nächsten Wolkenloch den Leuchtturm List West, von wo sich uns fantastische Ausblicke boten: Im Westen und Norden die Nordsee, die hier so starke Strömungen hat, dass das Baden wegen Lebensgefahr verboten ist. Im Osten reicht der Blick bis zum Leuchtturm List Ost und damit zum Ende der Landzunge. Im Süden schließlich die Bucht Königshafen, die an drei Seiten von Listland und Ellenbogen umschlossen wird. Laut Reiseführer ist dies die größte geschützte Naturbucht an der deutschen Nordseeküste und verdankt ihren Namen dem dänischen König Christian IV. Einen Hafen sucht man hier allerdings vergebens, weil der größte Teil der Bucht inzwischen versandet ist. Dafür ist hier ein ideales Surfrevier für Anfänger.

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Getreu dem Motto „Keine halben Sachen“ machten wir uns nun auf, um auch noch das letzte Stückchen bis zum Ende der Landzunge zurückzulegen. Wir ließen den Leuchtturm List Ost links liegen…

…und radelten, bis der Weg nicht mehr weiterging. Dann ging es zu Fuß über die Dünen an den Strand am Königshafen – und hier war es, als seien wir in einem Paradies in der Südsee gelandet! Der Wind hatte die Wolken weggefegt, über uns strahlte der blaue Himmel, vor uns lagen das Meer und der weiße, beinahe menschenleere Sandstrand. Kaum zu glauben, dass wir uns am nördlichsten Punkt Deutschlands befanden! Eine ganze Weile saßen wir im Sand, schauten aufs Meer und auf die Sylt-Fähre, die zwischen dem nahen Dänemark und List verkehrt.

Schließlich machten wir uns auf, die Landspitze zu umrunden. Es war ziemlich anstrengend, die ganze Zeit durch den lockeren Sand zu stapfen, aber der Blick aufs Wasser entschädigte dafür: Man konnte ganz deutlich sehen, wo die rauhe Nordsee auf das stille Wattenmeer traf, denn hier waren die Verwirbelungen auf der Wasseroberfläche ganz klar zu erkennen. Als wir die Nordseite der Landzunge erreichten, schlugen uns plötzlich Wind und Regen entgegen. Wir zurrten die Kapuzen fest, stemmten uns gegen den Wind und fühlten uns ein klein wenig wie auf einer Polarexpedition…

…aber nur für wenige Minuten, denn der Regen hörte schnell wieder auf und zudem hatten wir den Dünenübergang erreicht, von dem aus wir – diesmal von der anderen Seite her – wieder zu unseren Fahrrädern kamen.
Nun begann der lange Weg zurück: Wir umrundeten die ganze Bucht und fuhren in den hübschen, blitzsauberen Ort List mit seinem schönen Hafen. Dort parkten wir die Fahrräder und machten uns zu Fuß auf zur Alten Tonnenhalle, der nördlichsten „Mall“ in Deutschland: Früher wurden hier tatsächlich die Tonnen, die als Seezeichen verwendet werden, gelagert, doch heute befindet sich hier ein Einkaufszentrum, in dem es Souvenirs, Bücher, allerlei Dekogegenstände und Kunstgewerbliches gibt. Außerdem fielen uns in dem bunten Treiben um uns herum ausgesprochen viele Menschen in Motorradkleidung auf. Die Lösung war ganz einfach: Am kommenden Wochenende sollte in Westerland ein Harley-Davidson-Treffen stattfinden und viele Motorradfahrer waren offensichtlich schon früher auf die Insel gekommen.

Rund um die Tonnenhalle herum sind diverse Restaurants und Imbissbuden angesiedelt, darunter natürlich auch wieder Gosch, hier mit der nördlichsten Fischbude Deutschlands. Aber wir gingen diesmal lieber ins „Piratennest“, denn dort wurde gerade ein Strandkorb auf der Terrasse frei, von wo aus wir einen wunderbaren Blick auf den Anleger der Sylt-Fähre hatten.

Nachdem wir uns mit Matjesbrötchen und Crepes gestärkt und ausgiebig die Souvenirläden erkundet hatten, wurde ich übermütig. Schließlich ist List die Heimat der „Sylt Royal“, einer Austernart, die in der Blidselbucht vor List gezüchtet wird. Ein einziges Mal wollte ich so eine Auster probieren! Zum Glück lag Dittmeyer’s Austern-Probierstube direkt auf unserem Rückweg. Und dort kann man wirklich „nur mal probieren“: Man kann wahlweise eine, drei oder sechs Austern bestellen, dafür gibt es im Bistro sogar extra Teller mit entsprechend vielen Vertiefungen.
Zuerst dachten wir, man würde uns vielleicht ein wenig von oben herab behandeln, weil ich nur eine einzige Auster bestellte und Jens gleich gar nichts wollte. Aber das Gegenteil war der Fall: Der Kellner nahm sich richtig viel Zeit, um mir alles zu erklären, er öffnete die Auster für mich, träufelte ein wenig Zitronensaft darüber und riet mir, gründlich zu kauen und die Auster nicht zu schnell runterzuschlucken.
Gesagt, getan. Zunächst einmal kam die Flüssigkeit, die genau wie Meerwasser schmeckte. Dann die Auster selbst. Wer schon mal Muscheln gegessen hat, weiß in etwa, wie sich das anfühlt, es ist vielleicht noch etwas glibberiger. Aber gar nicht schlecht! Es schmeckt eben nach Meer! Nichts, was ich künftig ständig essen möchte, aber wenn es sich ergibt – warum nicht?
Hinterher durften wir sogar noch einen Blick in die benachbarte Halle werfen, in der die Austern in einem Meerwasserbecken auf ihren Verzehr warten. Eigentlich ist dort der Zutritt für Unbefugte verboten, aber der Kellner winkte uns herein und führte uns herum – danke schön!

Nach diesem Erlebnis ging es nun endgültig an die lange Rückfahrt. Vor uns lagen rund 13 Kilometer bei bedecktem Himmel. Noch einmal grüßte die weiß leuchtende Wanderdüne zu uns herüber, diesmal von der anderen Seite.
Sylt121Mir tat mittlerweile die Kehrseite weh, weil der Fahrradsattel nicht sehr bequem war. Jens jedoch hatte deutlich mehr Pech, denn kurz vor Kampen war der Akku seines e-Bikes leer. Nun hieß es selber treten und das ist bei einem e-Bike doch etwas anstrengender als bei einem normalen Fahrrad. Zum Glück hatten wir den eher hügeligen Teil unserer Tour schon fast hinter uns, nach Kampen ging es recht eben dahin, bis wir endlich ziemlich erschöpft in der Wenningstedter Hauptstraße ankamen, wo wir die Räder wieder abgaben.
Danach belohnten wir uns mit einer entspannenden Runde im wohl temperierten Hotelpool. Zum Abendessen gingen wir ins benachbarte Fischgeschäft Blum’s, wo es auch Gerichte gab, die man fertig zubereitet gleich direkt dort essen konnte – auch das ganz offensichtlich kein Geheimtipp, denn wir ergatterten gerade noch zwei Plätze an einem langen Tisch, kamen dort aber recht nett mit anderen Urlaubern ins Gespräch.

27. Mai: Willy, Westerland und die Heimatstätte für Heimatlose

Am nächsten Tag wollten wir in den Süden der Insel und dafür nahmen wir den Bus. Die Haltestelle lag praktischerweise fast vor der Haustür unseres Hotels und so gelangten wir zunächst mit der Linie 1 zum Westerländer Bahnhof, wo wir umsteigen mussten. Kaum hatten wir den Bus verlassen, wechselte der seine Richtungsanzeiger. Nun stand dort „Linie 2 nach Hörnum“. Also stiegen wir gleich wieder ein, setzten uns auf unsere alten Plätze und ließen uns bequem durch Westerland in Richtung Süden fahren.
Die Fahrt führte vorbei an Rantum, wo die Insel an ihrer schmalsten Stelle nur etwa 600 Meter breit ist. Links von uns sahen wir das Wattenmeer, rechts von uns die Dünen, die uns von der Nordsee trennten. Dazwischen: nur die Straße und daneben ein Fahrradweg.
In Hörnum stiegen wir schon in der Ortsmitte aus und bummelten durch den kleinen, sehr beschaulichen Ort bis zum Strand.

Der erste Weg führte uns direkt zum Hörnumer Leuchtturm, den wir gerne bestiegen hätten, aber leider waren alle Führungen für diese Woche schon ausgebucht. So blieb es bei der Umrundung des Sockels, wozu wir auch durch ein nettes kleines Wäldchen spazierten – wieder ein neues Landschaftsmerkmal auf dieser vielseitigen Insel. Das Leuchtfeuer Hörnum, so erfuhren wir auf einer Infotafel, ist quasi baugleich mit dem Leuchtfeuer Westerheversand, das wir im Jahr zuvor besichtigt hatten.

Hörnum liegt an der Südspitze der Insel, von hier aus kann man bis zu den Nachbarinseln Amrum und Föhr sehen und zwischen den Inseln herrscht auch ein reger Schiffsverkehr, wie wir am Hafen erleben konnten.

Die Hauptattraktion am Hafen ist aber „Willy“: Eine Kegelrobbe, die als Baby an den Hörnumer Strand gespült wurde und seitdem im dortigen Hafenbecken lebt, ohne jede Scheu vor Menschen und sehr zum Vergnügen der Touristen. Erst als die Robbe, die man „Willy“ getauft hatte, selbst ein Baby bekam, ließ sich ihr Geschlecht feststellen. Deshalb müsste „Willy“ eigentlich „Wilhelmine“ heißen. Aber der Robbe ist das egal. Hauptsache, sie wird regelmäßig mit frischen Heringen gefüttert. Die gibt es am nahen Kiosk, dort steht extra ein Schild „Heringe für Willy 1 Euro“. Und natürlich haben die Besucher immer großen Spaß daran, die Robbe zu füttern – vor allem die Schulklassen, die hier zahlreich unterwegs sind, sind begeistert von dem Schauspiel. So macht man Robbe, Touristen und Kioskbesitzer glücklich!

Nachdem wir uns in Hörnum ausgiebig umgesehen hatten, setzten wir uns wieder in den Bus zurück nach Westerland. Nach all der Ruhe und Beschaulichkeit im Süden der Insel stand uns nun der Sinn nach etwas mehr Trubel, außerdem wollten wir noch Andenken für unsere Lieben daheim kaufen und dafür war Westerland genau das richtige Ziel. So bummelten wir gemütlich an Rathaus und Spielcasino vorbei und durch die Friedrichstraße, bis wir schließlich die Strandpromenade mit der bekannten Musikmuschel für Kurkonzerte erreichten.

In Hörnum war es noch sonnig gewesen, aber das Wetter ändert sich auf einer Nordseeinsel nun mal schnell und hier auf der Promenade war es nun gerade ziemlich windig und ungemütlich. Wir machten also erst einmal Rast in einem Café und warteten dort ab, bis die Farbe des Himmels wieder ein paar Blau-Anteile mehr bekam. Dann spazierten wir ein Stück entlang der Promenade, erklommen die Deichkrone und genossen den schönen Ausblick, der sich uns hier bot.

Dann kehrten wir dem Meer den Rücken und besuchten als nächstes die „Heimatstätte für Heimatlose“, einen Friedhof, auf dem Unbekannte, die an den Strand gespült wurden, bestattet sind.

Nach diesem sehr besinnlichen Stopp ging es wieder zurück in die Fußgängerzone, wo wir uns mit Mitbringseln für unsere Jungs und unsere liebe Nachbarin, die in unserer Abwesenheit unser Haus versorgt hat, eindeckten. Dann fuhren wir zunächst zurück zum Hotel, um uns ein wenig zu erholen und schon bald stellte sich die Frage: Wohin zum Abendessen? In Wenningstedt, so unser Gefühl, hatten wir nun alle Lokale, die uns ansprachen, ausprobiert. Außerdem hatten wir ja ein Tagesticket für die Sylter Verkehrsgesellschaft, es sprach also nichts dagegen, zum Essen an einen anderen Ort zu fahren. Doch wohin?
Jens wollte gerne Meerblick, also bemühte ich Google Maps und suchte die Küstenlinie von Westerland nach einem entsprechenden Eintrag ab. Sehr schnell wurde ich fündig und die Homepage des Lokals „Seenot“ sah auch so einladend aus, dass wir dort spontan einen Tisch reservierten und wenig später mit dem Bus dorthin fuhren. Wie sich herausstellte, waren wir vor zwei Tagen schon mit dem Rad hier vorbei gekommen, ohne das Lokal zu beachten. Jetzt aber waren wir begeistert von dem herrlichen Ausblick und auch von der umfangreichen Speisekarte. Unser letztes Abendessen in diesem Urlaub wurde zu einem gelungenen Abschluss.
Gut gesättigt beschlossen wir anschließend, am Strand entlang zu Fuß nach Wenningstedt zurück zu laufen, es waren ja nur rund zweieinhalb Kilometer und es war auch noch recht hell. Also zogen wir die Schuhe aus und nach dem ersten „Brrr!“, als die nackten Füße mit der kalten Nordsee in Berührung kamen, war der Rückweg an der Wasserkante entlang durchaus angenehm. Unterhalten wurden wir dabei von dem Wolkenspiel am Himmel, denn vor der Sonne türmten sich dunkle, bedrohlich wirkende Wolken auf, daneben aber war es noch hell und sonnig.

Als wir Wenningstedt erreichten, entschlossen wir uns spontan, noch auf einen Absacker bei Gosch einzukehren. Der Absacker war in unserem Fall aber kein Schnaps, sondern ein schöner heißer Kaffee. Trotzdem konnten wir nachts wunderbar schlafen.

28. Mai: Alles Schöne geht einmal zu Ende

Unser letzter Morgen begann wie schon die Tage zuvor mit einem leckeren Frühstück. Unser Flug ging erst gegen Mittag, so dass wir am Vormittag noch Zeit für einen letzten Bummel durch den Ort hatten. Ich wollte unbedingt noch zu Feinkost Meyer, das ich ja aus meinen Mamma-Carlotta-Büchern kannte. Bisher waren wir daran nur in einiger Entfernung vorbei gefahren, aber nun nutzten wir die Gelegenheit, noch eine Sanddorn-Konfitüre und „Syltella“, einen Schokoaufstrich von der Sylter Schokoladenmanufaktur, zu erstehen. Zurück im Hotel, kam dann auch schon bald das bestellte Taxi und brachte uns zum Flughafen. Wir machten noch ein paar letzte Fotos, dann war es auch schon Zeit fürs Boarding und den Heimflug. Ein wunderschöner Kurzurlaub ging zu Ende – aber wenn es nach mir geht, war das bestimmt nicht meine letzte Reise nach Sylt!
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