„Wintergäste“ | |
von Sybil Volks | |
Bewertung
★★★★☆
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Verlag | dtv |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | August 2015 |
Seiten | 412 als Taschenbuch |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
„Mutter ist gestorben“ – diese Nachricht ruft am 28. Dezember Inges vier Kinder samt Lebenspartnern und Kindern nach Hause auf die kleine Insel im Wattenmeer. Dort stellt sich heraus: Es war Fehlalarm, Inge ist dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen. Aber für wie lange noch?
Ein paar der Familienmitglieder wollen sofort wieder abreisen, zurück in ihr eigenes Leben, in die lärmende Großstadt. Doch ein Schneesturm macht ihre Pläne zunichte, denn das Haus wird eingeschneit, ist von der Außenwelt abgeschnitten, nicht mehr erreichbar. Bis Silvester spitzt sich die Lage dramatisch zu: Der Strom fällt aus, Telefon und Handy funktionieren nicht mehr, ebenso wenig wie Kühlschrank, Heizung und Elektroherd. Und eine Sturmflut droht, die Deiche zu sprengen.
Als wäre die Situation so nicht schon dramatisch genug, prallen auch noch die unterschiedlichen Charaktere mit ihren ganz eigenen Sorgen und Nöten aufeinander. Da ist zum einen Enno, der älteste Sohn, der unter der Last der Verantwortung zu zerbrechen droht, der genug davon hat, immer vernünftig zu sein und seine Träume den Bedürfnissen andere unterzuordnen – zumal jetzt, wo er auch noch befürchten muss, an einem Gehirntumor zu sterben. Kerrin, seine Frau, macht sich ebenfalls Sorgen: um Enno, der neuerdings so abweisend ist, um die Familie, um das Essen, um Tochter Inka und vieles andere mehr.
Gesa, die älteste Tochter, hat derweil ganz andere Probleme. Denn sie liebt ihren Mann Jochen und ihre beiden Kinder – aber eben auch ihren Liebhaber Matteo und das Kind, das sie von ihm erwartet. Kein Wunder also, dass auch ihr Mann Jochen jede Menge Wut in sich spürt, während die beiden gemeinsamen Kinder sich lieber auf Schatzsuche begeben und das Baby sich ausgerechnet in der Silvesternacht dafür entscheidet, auf die Welt zu kommen.
Berit, Inges jüngere Tochter, hat Geldsorgen, Liebeskummer, kriegt vom falschen Essen Pickel und schlägt sich als Verfasserin von Trauerreden durch. Nur höchst ungern teilt sie sich ein Zimmer mit Inka, der Tochter von Enno und Kerrin. Die wiederum will endlich das Geheimnis um ihre Adoption lösen. Wer sind ihre leiblichen Eltern? Aus der Ferne spielt auch noch Boy mit, Inges jüngerer Sohn, der schon immer nur das getan hat, was er tun wollte. Und Inge fragt sich, wem von ihren vier Kindern sie eigentlich das Haus Tide vermachen soll, das seit Generationen in Familienbesitz ist. Oder soll es verkauft und der Erlös auf alle vier Kinder aufgeteilt werden?
Die Szenerie dieser Geschichte erinnert mich spontan an Agatha Christie und in der Tat spielt die bekannte Krimiautorin auch hier eine Rolle. Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, so dass der Leser einen Einblick in die Gefühlswelt aller Protagonisten erhält. Manchmal ist mir das ein klein wenig zu langatmig. Andererseits ist die Geschichte so spannend und läuft so zielgerichtet auf einen dramatischen Höhepunkt zu, dass ich das Buch kaum weglegen konnte. Das Ende – so viel sei verraten – lässt dann aber doch noch so manche Frage offen.
Auf jeden Fall ist dieser Roman eine höchst spannende Lektüre, die man am besten im Sommer liest – weil man jedes Mal, wenn man das Buch zuklappt, aufs Neue dankbar dafür ist, dass es draußen warm ist und man selbst gerade keine Gefahr läuft, eingeschneit zu werden.