„Die Geschenke meiner Mutter“ | |
von Cecilie Enger | |
Bewertung
★★★☆☆
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Verlag | DVA |
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Buchform | gebunden, Taschenbuch, eBook |
Erschienen | 2014 (Taschenbuch 2016) |
Seiten | 272 als gebundene Ausgabe |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Was die Protagonistin Cecilie erlebt, ist eine Situation, vor der sicher viele Menschen in meinem Alter Angst haben: Die eigene Mutter erkrankt an Alzheimer und muss in ein Pflegeheim. Cecilie und ihre beiden Geschwister müssen nun ihr Elternhaus, in dem die Mutter die letzten Jahre allein gelebt hat, ausräumen, das Hab und Gut ihrer Mutter unter sich aufteilen, vieles in den Container werfen, das Haus verkaufen. Cecilie findet dabei ein Bündel Papiere: Offensichtlich hat ihre Mutter über Jahrzehnte hinweg genau Buch geführt über alle Weihnachtsgeschenke, die sie und ihre Familie je erhalten haben und vor allem über die, die sie selbst verschenkt haben. Dazu hat sie Listen angelegt mit langen Spalten voller Namen von Verwandten, Freunden, Nachbarn, Kollegen und anderen Bekannten.
Beim Studieren dieser Listen steigen in Cecilie viele Erinnerungen hoch an längst vergangene Weihnachtsfeste, an Menschen, von denen viele inzwischen gestorben sind, an Geschenke, die ihr einmal viel bedeutet haben. Ein Zitat aus dem Buch beschreibt das sehr schön: „Die Listen sind meine Karte der Menschen, die in Mutters Leben aufgetaucht und wieder daraus verschwunden sind.“ Anhand der Geschenkelisten erinnert sich Cecilie an das Leben ihrer Mutter, wie es einst war. Die Mutter entstammte einer Künstlerfamilie, weshalb auf den Geschenkelisten immer wieder Bilder und Skulpturen auftauchen. Die Geschenke erzählen auch vom sozialen Engagement der Mutter, beispielsweise anhand einer Kette mit Holzperlen, die in einem Heim für autistische Jugendliche gefertigt wurde, für das die Mutter sich stark gemacht hat.
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Einmal in der Vergangenheit, die Cecilie in ihren Erinnerungen wieder aufleben lässt. Dabei geht sie aber nicht chronologisch vor, also von den 1970er-Jahren bis heute, sondern sie blättert willkürlich durch die Listen und springt so zwischen ihren Kinder-, Teenager- und Erwachsenenjahren hin und her. Die zweite Zeitebene ist die Gegenwart, in der Cecilie ihre Mutter im Heim besucht. Immer wieder versucht sie, anhand der Listen und der daran geknüpften Erinnerungen ihrer zunehmend dementen Mutter eine Reaktion zu entlocken, was immer schwieriger wird, je weiter die Demenz fortschreitet.
Der Roman ist das autobiographische Werk der norwegischen Autorin und Journalistin Cecilie Enger. Ich habe mir ein wenig schwer getan mit den vielen norwegischen Orts- und Personennamen. Bei ersteren konnte ich die Orte nicht geographisch einordnen, wusste nicht, wie weit sie voneinander entfernt sind, wenn die Autorin z.B. ganz selbstverständlich schreibt, dass sie von A nach B fährt. Bei den für meine Ohren fremd klingenden Personennamen wusste ich häufig nicht, ob es sich dabei um männliche oder weibliche Personen handelt, das ergab sich oft erst später aus dem Zusammenhang. Außerdem kommen in dem Buch so viele Namen vor, die ich mir nicht auf Anhieb merken konnte, dass ich mich oftmals gefragt habe: „Moment, wer war das jetzt nochmal? War das die Mutter von A? Oder die Schwester von B?“ Eine Ahnentafel im Anhang des Buches hätte ich hilfreich gefunden, um hier den Überblick zu behalten.
Was mir das Lesen zudem schwer gemacht hat, ist die Tatsache, dass es hier keinen richtigen Spannungsbogen gibt. Die meisten Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe, arbeiten ja doch auf einen Höhepunkt hin, auf etwas, wo sich die Geschichte zuspitzt. Das ist hier nicht der Fall, es ist vielmehr eine Aneinanderreihung von Episoden, die es mir leicht gemacht hat, das Buch zwischendurch wegzulegen und erst Tage später wieder weiter zu lesen.
Andererseits ist es ein Buch, das nachwirkt. Einmal wegen der Demenz der Mutter – ein Thema, das bei mir und meinem Bekanntenkreis immer präsenter wird, schließlich werden die eigenen Eltern ja auch nicht jünger. Zum anderen aber hat mich das Buch dazu gebracht, über die Bedeutung von Geschenken nachzudenken. Die Familie in diesem Buch hat sich gegenseitig nicht mit zig Geschenken überhäuft, sondern meist nur ein, zwei Dinge geschenkt – die aber mit Bedacht ausgesucht und oftmals selbst gemacht waren und somit eine ganz andere Bedeutung hatten als das, was heutzutage häufig unter dem Christbaum liegt. Ich selbst jedenfalls fühle mich nun inspiriert, eine Geschenkeliste für das bevorstehende Weihnachtsfest anzufangen und mir dafür wirklich gründlich Gedanken zu machen.
Alles in allem vergebe ich drei Sterne, weil mich das Buch zwar nicht so „gepackt“ hat wie andere Romane, aber dennoch sehr zum Nachdenken angeregt hat.