„Süßer Mord“ | |
von Rolf Osang | |
Bewertung
★★☆☆☆
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Verlag | Emons |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Juni 2015 |
Seiten | 287 als Taschenbuch |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Schon vor unserem wunderbaren Algarve-Urlaub im vergangenen Jahr machte ich mich auf die Suche nach Romanen, die in dieser Region spielen – zunächst allerdings vergeblich. Vor einigen Wochen stieß ich dann durch Zufall auf diesen Krimi, der an der Algarve spielt, und war natürlich sofort neugierig. So ganz erfüllt wurden meine Erwartungen allerdings nicht.
Zur Handlung: Lisa und ihre Mutter Joana fliegen gemeinsam von Deutschland nach Portugal, Joana wegen eines Jobs, Lisa hingegen will auf den Spuren ihrer Vergangenheit wandeln, denn ihre ersten fünf Lebensjahre hat sie gemeinsam mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährte Jorge an der Algarve verbracht, bis die Mutter Hals über Kopf und ohne jede Erklärung mit ihr nach Deutschland gezogen ist. Tatsächlich trifft Lisa Jorge wieder, von dem sie nicht weiß, ob er ihr leiblicher Vater ist. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz, denn bei einem Waldbrand wird Jorge von einem Unbekannten niedergeschlagen und erleidet schwerste Kopfverletzungen und Verbrennungen. Auch Lisa wird angegriffen.
Und leider wird die Handlung hier schon unglaubwürdig. Denn trotz Kopfverletzung und Benommenheit erkennt Lisa sofort messerscharf, dass auf Jorge ein Mordanschlag verübt wurde und dass sie den Täter in Sicherheit wiegen muss, indem sie Jorges Tod vortäuscht. Heimlich wird Jorge in ein Krankenhaus nach Lissabon gebracht, der Notarzt besorgt sogar einen Totenschein. Nach Jorges vorgetäuschtem Begräbnis soll seine Schwester Teresa den nicht unerheblichen Grundbesitz erben – es sei denn, Lisa ist doch Jorges leibliche Tochter. Für einen DNA-Test fährt sie nach Lissabon und wird dort prompt Opfer eines Anschlags. Denn Jorges Nachbar, der skrupellose Caesário, hat es auf das Grundstück abgesehen, auf dem er das riesige Bauprojekt „Golf Gigante“ verwirklichen will. Gemeinsam mit ihrer Mutter Joana und Jorges treuer Haushälterin Antonieta versucht Lisa, Caesário das Handwerk zu legen und begibt sich dabei in Lebensgefahr.
Leider wirkt die Handlung von Anfang an sehr konstruiert und unglaubwürdig. Auch mit Lisa als Protagonistin tue ich mir schwer: Einerseits wirkt sie oft sehr naiv, andererseits tough wie Lara Croft. Es gibt quasi nichts, was sie nicht kann: kochen, Motorrad fahren, Webseiten programmieren, Nahkampf und sogar etliche Kilometer im rauen Atlantik schwimmen. Ich wurde einfach nicht richtig warm mit dieser Figur. Ähnlich ging es mir mit ihrer Mutter Joana, die ihrer Tochter so viel Wichtiges verschweigt, andererseits aber durchaus ein inniges, liebevolles Verhältnis zu ihr hat. Kurz vor Ende des Buches ist sie sogar bereit, ihr eigenes Leben für das ihrer Tochter zu opfern – die Beweggründe dafür kapiere ich allerdings beim besten Willen nicht.
Dazu kommt, dass die Geschichte einige logische Fehler hat. So verschweigt Lisa zum Beispiel ihrem Freund Pablo, dass Jorges Tod nur vorgetäuscht war. In einer Szene erwähnt sie das im Gespräch mit Pablo allerdings ganz beiläufig, ohne dass er darauf irgendwie reagiert, und ich dachte mir schon: „Hä? Hab ich was überlesen?“. Doch in der nächsten Szene ist Pablo wieder ahnungslos und einige Seiten weiter folgt dann die Szene, in der Lisa ihm das Täuschungsmanöver gesteht. Und das ist leider nicht der einzige Logikfehler. Obendrein verstehe ich den Titel „Süßer Mord“ nicht: Erstens bleibt es – Achtung Spoiler! – nicht bei nur einem Mord, zweitens kann ich nichts in der Handlung mit dem Adjektiv „süß“ in Verbindung bringen. Schließlich geschieht kein Todesfall in einer Bäckerei oder einem wohlduftenden Zitronenhain, vielmehr spielt die Story im Reich der Immobilien- und Finanzspekulanten.
Was also die Handlung angeht, müsste dieses Buch bei mir glatt durchfallen. Ein wenig wieder gut machen kann es durch den meist flüssigen Schreibstil, der es mir leicht machte, das Buch in einem Wochenende zu lesen, und vor allem durch die Beschreibungen von Land und Leuten. Man könnte fast meinen, der Autor hat so viele Orte der Algarve wie möglich in die Geschichte eingebaut, um bei jedem Leser, der schon mal in der Region war, für möglichst viel Wiedersehensfreude zu sorgen. Dabei wirkt die Erwähnung der Orte aber nicht erzwungen und die jeweilige Atmosphäre ist sehr gut beschrieben, so dass man sich sofort wieder an seinen Urlaubsort zurückversetzt fühlt. Außerdem erfährt man ganz nebenbei viel über die Geschichte Portugals und der Algarve, über die Salazar-Diktatur und deren Ende am 25. April 1974. Auch die Lebensbedingungen der Portugiesen in früheren und heutigen Zeiten, die Vor- und Nachteile des Tourismus- und Baubooms werden dem Leser auf unterhaltsame Weise nähergebracht. Das hat mich mit dem Krimi wieder einigermaßen versöhnt, so dass es am Ende doch noch für zwei Sterne gereicht hat.
Empfehlen würde ich das Buch allen Algarve-Urlaubern als leichte Urlaubslektüre, bei der man nicht groß über Sinn und Logik nachdenken, aber auf unterhaltsame Weise etwas über seine Urlaubsregion erfahren möchte.