„Heute beginnt der Rest des Lebens“ | |
von Marie-Sabine Roger | |
Bewertung
★★★★☆
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Verlag | Atlantik, dtv |
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Buchform | gebunden, Taschenbuch, eBook |
Erschienen | April 2015 |
Seiten | 280 Seiten als gebundene Ausgabe |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Seit ich bei der Münchner Bücherschau im vergangenen Jahr in dieses Buch hineingelesen hatte, stand der Roman auf meiner Wunschliste, weil sich allein der Klappentext schon so skurril las. Nun bin ich endlich dazu gekommen, dieses Buch zu lesen.
Worum geht es? In der Familie von Mortimer gibt es eine höchst makabre Tradition: Alle erstgeborenen Männer der französischen Familie sterben exakt um elf Uhr vormittags an ihrem 36. Geburtstag. Diese Tradition lässt sich zurück verfolgen bis ins Jahr 1623. Die Todesursachen variieren, aber eines bleibt gleich: Die Uhrzeit 11.01 Uhr seines 36. Geburtstages hat keiner mehr erlebt. Von Geburt an wuchs Mortimer in dem Glauben auf, dass ihn dereinst dasselbe Schicksal ereilen wird wie seinen Vater, seinen Großvater, seinen Urgroßvater und all die Männer der Familie zuvor.
Mortimer ist also vorbereitet: Er hat seine Wohnung und seinen Job gekündigt, sein Auto verkauft, die Wohnung entrümpelt, aufgeräumt und geputzt. Kurz vor elf Uhr liegt er in seinem schwarzen Anzug auf seinem Bett, bereit zu sterben. Doch – er stirbt nicht. Der Tag seines 36. Geburtstages vergeht und Mortimer ist noch immer am Leben.
Wie gut, dass er in dieser Situation nicht allein ist. Er erzählt seinen Freunden Paquita und Nassardine von seinem Schicksal. Er berichtet von seinen Vorfahren und davon, dass die Namen der männlichen Ahnen allesamt mit „Mor“ beginnen (nach dem französischen Wort „la mort“ = der Tod) und die Namen der weiblichen Ahnen mit „Vi“ („la vie“ = das Leben). Er erzählt von seinen Nachforschungen und seinen Versuchen, dieses seltsame Schicksal wissenschaftlich zu erklären. Paquita schließlich liefert eine mögliche Lösung, warum Mortimer entgegen aller Erwartungen nicht gestorben ist: Sein Vater war vermutlich gar nicht sein leiblicher Vater. Doch stimmt das? Und was bedeutet es für Mortimers Zukunft?
Was macht es mit einem Menschen, der weiß, dass er ohnehin nicht alt werden wird? Macht man sich dann noch Hoffnungen, schmiedet man Pläne? Gründet man eine Familie oder bleibt man lieber allein? Lohnt es sich, Ehrgeiz in Schule und Beruf zu entwickeln? Sein Herz zu verschenken?
All diese Fragen hat Mortimer sich in den ersten 36 Jahren seines Lebens gestellt und er stellt sie sich erneut, als er völlig unverhofft sein 37. Lebensjahr beginnt. Und er fängt an, verpasste Gelegenheiten zu bedauern, vor allem, was Jasmine angeht, die junge Frau, die manchmal auf Parkbänken saß und weinte, nur damit es den Menschen um sie herum besser ging. Doch Jasmine hat Frankreich verlassen. Gelingt es Mortimer, sein Leben noch einmal ganz neu anzupacken und Jasmine wiederzufinden?
Mich hat diese Geschichte sehr nachdenklich gemacht. Zum Glück ist der Roman in viele kurze Kapitel unterteilt, so dass man immer mal wieder Pause machen und das Gelesene sacken lassen kann. Der Erzählstil ist fast schon orientalisch-ausschweifend, Mortimer kommt bei seinen Rückblenden oft vom Hundertsten ins Tausendste, dabei bleibt die Geschichte trotz des ernsten Hintergrundes immer fedrig leicht, liest sich ausgesprochen amüsant und hat doch Tiefgang. Ein höchst interessantes, denkwürdiges, fast schon philosophisches Buch.
Achtung: Die gebundene Ausgabe und das eBook sind im April 2015 im Atlantik-Verlag erschienen. 2016 erschien zusätzlich im dtv-Verlag eine (preislich günstigere) Taschenbuchausgabe. Sämtliche Ausgaben sind noch im Handel erhältlich, siehe o.a. links.