Weiter geht es mit Tag 2 auf der lit.Love 2018. Wieder war ich schon sehr früh am Verlagsgebäude und stellte fest, dass es heute etwas ruhiger zuging. Viele Besucher hatten die lit.Love wohl – so wie ich im ersten Jahr – nur am Samstag besucht. So bekam ich nicht nur einen Parkplatz beinahe direkt vor der Tür, sondern hatte auch Zeit, ganz in Ruhe ein paar Fotos zu machen.
Dann holte ich mir einen Kakao in der Caféteria und kam schnell mit einigen anderen Bloggerinnen ins Gespräch. Auch die Autorin Petra Durst-Benning gesellte sich zu uns und erzählte, dass sie am Abend zuvor das gemeinsame Essen von Autoren und Verlagsmitarbeitern verpasst hatte: Sie hatte sich im Hotel nur ein wenig ausruhen wollen und – schwupps! – war sie eingeschlafen! Die Glückliche, denn bei mir war genau das Gegenteil der Fall: Ich konnte sehr lange nicht einschlafen, weil all die vielen Eindrücke noch in meinem Kopf rumorten. Aber egal, jetzt war ich wieder fit.
Let’s do the time warp again
Gemeinsam gingen wir zur kleinen Bühne, wo Petra Durst-Benning („Die Fotografin“) eine der Teilnehmerinnen der Talkrunde „Let’s do the time warp again – Fiktion und Wahrheit im historischen Liebesroman“ war. Mit ihr auf der Bühne saßen Maria Nikolai („Die Schokoladenvilla“), Bettina Storks („Das geheime Lächeln“) und Catherine Aurel („Grimaldi – Der Fluch des Felsens“). Moderiert wurde die Runde von Eva Schubert (Penguin) und Astrid von Willmann (Blanvalet). Alle vier Autorinnen waren sich einig, dass ihren Romanen eine akribische Recherche vorausgehen muss, wobei hinterher meist nicht mehr als zehn Prozent der Rechercheergebnisse tatsächlich im Roman landen. Dafür kann man unter Umständen die Erkenntnisse aber noch in einem weiteren Roman verwerten. Catherine Aurel berichtete, dass es gar nicht so leicht gewesen sei, mehr über die Ursprünge des Grimaldi-Clans zu erfahren. Damals wurde die weit verzweigte Fürstenfamilie schließlich noch nicht auf Schritt und Tritt von der Yellow Press verfolgt. Fürst Rainier, dem Vater des jetzt amtierenden Fürsten Albert, ist es zu verdanken, dass seit seiner Amtszeit jedes Jahr Annalen veröffentlicht werden, die für die Autorin zu einer wertvollen Informationsquelle wurden.
Wenn es zu einem Thema schon richtig viel Infomaterial gibt, verriet Petra Durst-Benning, dann ist das für sie eher ein Grund, die Finger von dem Thema zu lassen. Je mehr es jedoch zu erforschen und nachzuhaken gibt, umso mehr wird ihr Spürsinn geweckt. Maria Nikolai, die ihren historischen Roman in Stuttgart und in Riva del Garda angesiedelt hat, stöbert leidenschaftlich gerne in Bibliotheken und Archiven und wie alle ihre Kolleginnen findet sie es wichtig, auch vor Ort zu recherchieren – und zwar zu jeder Jahreszeit. Bettina Storks, deren Roman auf drei Zeitebenen unter anderem in Paris spielt, erläuterte, dass die Stadt sich zu jeder Jahreszeit anders anfühle – und genau diese Stimmung muss man erstmal in einer Geschichte transportieren können. Es war hochinteressant, den vier Autorinnen hier zuzuhören.
Plötzlich im Blitzlichtgewitter: Rosie Walsh
Der nächste Programmpunkt fand gleich nebenan auf der großen Bühne statt. Rosie Walsh plauderte mit Anouk Schollähn darüber, wie es sich anfühlte, quasi über Nacht berühmt zu werden. Rosie Walsh war gerade hochschwanger, als ihr Buch weltweit einschlug wie eine Bombe. Es wurde eines der bestdotierten Bücher der London Book Fair und mittlerweile in 32 Länder verkauft. Sehr offen berichtete Rosie Walsh, dass dieser Erfolg nicht nur unbändige Freude in ihr auslöste, sondern auch ein Gefühl von Schuld, nach dem Motto „Das habe ich doch gar nicht verdient.“ Geholfen habe ihr da ein Gespräch mit der Agentin von Paula Hawkins, die seinerzeit mit „Girl on the Train“ einen ähnlichen Erfolg gelandet hatte (das Buch ist mittlerweile auch verfilmt worden). Diese Agentin hat ihr versichert, dass diese widersprüchlichen Gefühle vollkommen normal und okay seien.
Heute belohnt sie sich ab und zu mit einem Wellness-Urlaub, doch da hat sie eine schöne Tradition für sich entwickelt: Exakt den Betrag, den sie für ihren eigenen Urlaub ausgibt, spendet sie an eine britische Wohltätigkeitsorganisation, die damit weniger gut situierten Familien einen Erholungsurlaub ermöglicht, den sie sich sonst niemals leisten könnten. Dafür gab’s Applaus aus dem Publikum.
Außerdem erzählte Rosie Walsh von der Pomodoro-Technik, nach der sie arbeitet: Sie schreibt jeweils 25 Minuten am Stück hochkonzentriert, macht dann eine fünfminütige Pause, selbst wenn sie gerade noch so sehr im Fluss ist, und arbeitet anschließend weiter. Die Technik beruht auf einer Studie, derzufolge man nur 25 Minuten am Stück kreativ sein kann. Dank der Pausen, die kurz genug sind, um nicht völlig zu anderen Themen abzudriften, gelingt es ihr, drei bis vier Stunden am Tag konzentriert zu schreiben. Interessanter Ansatz.
Das Leben der Anderen
„It’s my life“ oder „Das Leben der Anderen“ lautete der Titel der Gesprächsrunde, zu der ich als nächstes ging. Amelie Fried („Paradies“), Michel Birbaek („Das schönste Mädchen der Welt“), Frauke Scheunemann („Dackelglück“) und Bettina Storks („Das geheime Lächeln“) diskutierten mit Moderator Günter Keil darüber, wie viel von der eigenen Persönlichkeit und Geschichte der Autoren in ihre Romane einfließt. Erwartungsgemäß fielen die Antworten recht unterschiedlich aus. Frauke Scheunemann, deren Roman aus der Sicht eines Dackels erzählt wird, meinte, sie sei ja schließlich kein Hund. Allerdings: „Dackel sind auch nur Menschen.“ Überhaupt erwies sich Frauke Scheunemann als äußerst schlagfertig und gab dem Autor Michel Birbaek, den ich ja schon am Vortag in seiner Lesung als sehr witzig kennengelernt hatte, kräftig Paroli. So gab es in dieser Talkrunde wirklich viel zu lachen, wobei die Zuhörer aber auch viel Interessantes erfuhren, beispielsweise über die amerikanische Gastfamilie, in der Amelie Frieds Kinder nacheinander ein Schuljahr verbrachten. Abgründe taten sich da auf… 😉
Buch-Yoga in der Mittagspause
Gerne hätte ich nach der Talkrunde noch das eine oder andere Wort mit Amelie Fried gewechselt, die ich ja kürzlich schon beim Literarischen Herbst in Zorneding auf einer Lesung erlebt habe. Außerhalb dieser Talkrunde habe ich Amelie Fried nämlich, anders als die übrigen Autoren, überhaupt nicht gesehen. Doch es war schon 13 Uhr und die Zeit drängte, schließlich wollte ich heute unbedingt zum Buch-Yoga mit Andrea Wolf. Als Vorletzte schlüpfte ich noch rasch in den bereits vollbesetzten Raum, in dem es intensiv nach Duftöl roch. Eine halbe Stunde lang zeigte die Trainerin uns einfache Übungen, die wir im Stehen, in normaler Kleidung und ohne Yogamatte durchführen konnten. Ein Buch diente dabei als Trainingsgerät. Obwohl direkt vor der Tür die Kantine lag, in der es gerade Mittagessen gab, wodurch ein entsprechender Lärmpegel herrschte, gelang es mir überraschend gut, mich auf die Übungen einzulassen und meine Muskulatur zu lockern. Für den Rest des Tages achtete ich auch deutlich mehr auf eine gute Körperhaltung (aufrecht sitzen statt im Sessel zu lümmeln, Beine neben- statt übereinander) und bewusste Atmung. Und siehe da – das Tief, wie ich es am Vortag erlebt hatte, blieb diesmal aus.
Das geheime Lächeln von Bettina Storks
Den Rest der Mittagspause verbrachten Betti und ich im Foyer. Wie schon am Vortag verzichtete ich auf die Angebote der Kantine, stattdessen hatte ich mir Obst von zuhause mitgebracht. Denn ich hatte keinen großen Hunger, sondern vielmehr lechzte ich nach etwas Frischem, Saftigen. Als wir da so saßen, gesellte sich auch Veronika Rusch aka Fiona Blum zu uns, die ich auf der lit.Love 2017 kennen und schätzen gelernt hatte. Ich fand es wirklich eine ganz besonders schöne Idee, dass auch die Autorinnen vom letzten Jahr wieder eingeladen worden waren. So traf ich außerdem auch noch Claudia Winter, Emilia Schilling, Manuela Inusa und viele andere mehr. Während ich andere Autorinnen, die ich wirklich gerne mal persönlich getroffen hätte, leider nicht gesehen habe. Dann aber hoffentlich beim nächsten Mal!
Nach der Mittagspause besuchte ich die Lesung von Bettina Storks, nachdem ich die Autorin heute schon zweimal in Talkrunden gesehen hatte. Ihren Roman „Das geheime Lächeln“ habe ich schon länger auf meinem eReader, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen, ihn zu lesen. Das muss ich nun definitiv bald mal ändern, denn die Geschichte um ein geheimnisvolles Bild klingt spannend.
Nach der Lesung bin ich schnell ins Foyer, wo Elisa von RoRezepte diesmal zusammen mit Maria Nikolai über Schokolade und Pralinen plauderte und natürlich auch etliche Naschereien präsentierte. Im Gegensatz zum Vortag kam ich diesmal nicht zu spät, es waren noch Pralinen da und ich muss sagen, die waren äußerst lecker!
Das Kate Morton Universum
Derart gestärkt, suchte ich mir einen Platz vor der großen Bühne, um mir von Anouk Schollähn Einblicke ins Kate Morton Universum geben zu lassen. So jedenfalls hieß der Talk mit der Bestsellerautorin. Ich hatte Kate Morton ja bereits am Vortag bei ihrer Lesung erlebt, die mehr ein Interview war. Daher kannte ich einige der Anekdoten schon, die nun zum Besten gegeben wurden. Aber es gab auch viel Neues zu erfahren, z.B. dass Kates jüngere Schwester selbst Autorin ist und schon mit 14 eine Geschichte geschrieben hat, die ihrer älteren Schwester die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat 😉 Oder dass Kates Mutter einmal eine ganze Kirche gekauft hat. Die Mutter war nämlich Antiquitätenhändlerin (was auch Kate Mortons Vorliebe für alte Dinge erklärt, welche in ihren Romanen ja oft eine wichtige Rolle spielen). Als in ihrer Heimat Australien einmal eine kleine Holzkirche abgerissen werden sollte, konnte Kates Mutter das nicht einfach so hinnehmen. Sie kaufte die Kapelle, die dann entweiht und in zwei Teile zersägt wurde, um sie auf zwei Trucks in den Garten der Mortons zu transportieren. Dort wieder aufgestellt, hat Kates Mutter die Kirche renoviert und hübsch angemalt. Prompt fragten Passanten, ob sie dort nicht ihre Hochzeit feiern könnten. Aus der Kirche wurde eine Wedding Chapel. Und so kam es, dass Kate in ihrer Jugend auf zahlreichen Hochzeiten die Kellnerin gespielt hat. 😉
Übrigens: Kate Morton arbeitet im Gegensatz zu Rosie Walsh nicht nach der Pomodoro-Technik, sondern praktiziert eher das Gegenteil: Wenn sie mit ihrer Familie unterwegs ist, hat sie ihren aktuellen Roman stets im Hinterkopf und denkt über die Geschichte nach. Umgekehrt kommen ihr mitten im Schreiben oft Gedanken wie: Wann muss ich heute die Kinder abholen? Wir müssen unbedingt einen Zahnarzttermin ausmachen. Sehr sympatisch und bodenständig, finde ich.
Ausflug zur Schokoladenvilla
Auf zum letzten Programmpunkt des Tages! Maria Nikolai hat für ihre Lesung aus „Die Schokoladenvilla“ nicht nur ihr Buch mitgebracht, sondern auch eine höchst aufwändige Power Point-Präsentation samt musikalischer Untermalung. Viele alte Fotos veranschaulichten, wie Stuttgart und Degerloch, zwei der Schauplätze des Romans, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgesehen haben. Andere Zeichnungen zeigten eine Schokoladenfabrik, ein typisches Comptoir, eine Eismaschine oder Schokoladenautomaten. Und wieder andere Bilder zeigten elegante Frauen in edlen Kleidern beim Ball. So konnte man sich beim Zuhören viel besser in die Zeit und die Szenerie hineinversetzen, großartig! Viel zu schnell verging die Zeit und obwohl ich den Roman ja schon kenne und weiß, wie er ausgeht, war die Lesung für mich höchst kurzweilig.
Zum guten Schluss…
Auch heute gab es zum Abschluss wieder eine Happy Hour und damit die Gelegenheit, mit allen Beteiligten auf eine gelungene dritte lit.Love anzustoßen! Die Gespräche drehten sich um die bevorstehende Heimfahrt und mir wurde wieder bewusst, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich mit dem Auto nur 20 Minuten fahren muss, während andere noch eine lange Heimreise vor sich haben. Und natürlich wurde immer wieder gefragt: Gibt es 2019 wieder eine lit.Love? Eine Verlagsmitarbeiterin erläuterte mir, dass die Geschäftsleitung das von Jahr zu Jahr aufs Neue entscheidet. Aber wenn, dann wird es wohl wieder das zweite Novemberwochenende werden, dieser Termin ist also schon mal fest vorgemerkt!
Nun steht erstmal die Nachbereitung der lit.Love 2018 an und da hätte ich ein, zwei kleine Anregungen an das wundervolle Organisationsteam von Random House. Wie schon in den vergangenen Jahren, fand ich es auch heuer wieder schade, dass es während der Talks mit den vier Stargästen keine weiteren Veranstaltungen gab. Denn nicht jeden interessierte zwingend dieser eine Programmpunkt auf der sehr zentral gelegenen großen Bühne, viele ratschten unterdessen lieber im Autorencafé, das gleich daneben lag – was leider zur Folge hatte, dass es sehr laut wurde, so dass man dem Geschehen auf der Bühne nicht mehr so leicht folgen konnte. Aber natürlich ist mir bewusst, dass man diesen Stargästen eine möglichst große Bühne bieten will.
Meine zweite Anregung ist hoffentlich leichter umzusetzen: Ich würde mich sehr freuen, wenn man im Sinne des Umweltschutzes künftig in der Caféteria auf Einwegbecher verzichten könnte. Es gab dort ja auch Keramiktassen, aber wenn man nicht explizit diese verlangte, bekam man einen mit Plastik beschichteten Pappbecher. Plastikmüll ist eines der großen Probleme unserer Zeit und gerade hier könnte man diesen Müll so leicht vermeiden, zumal wenige Meter weiter die Kantine liegt, die sicherlich über Industriespülmaschinen verfügt. Auch die Putzleute freuen sich bestimmt, wenn am Ende eines langen lit.Love-Tages nicht überall die leeren Kaffeebecher herumstehen und -liegen. Und ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die so denkt, denn das war an diesem Wochenende mehrmals Thema in Gesprächen mit Autorinnen und Besuchern. In diesem Sinne: Auf eine Mehrweg-freundliche lit.Love 2019!