„Die Frau im hellblauen Kleid“ | |
von Beate Maxian | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Heyne |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | November 2017 |
Seiten | 448 Seiten |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Nun habe ich es erfreulicherweise doch noch geschafft, im Rahmen unserer Bloggerinnen-Aktion #litlovehistory noch einen zweiten Roman zu lesen. Die Autorin Beate Maxian war 2017 zu Gast bei der Lit.Love, leider konnte ich damals aus Zeitgründen ihre Lesung nicht besuchen. Dennoch hatte mich die Ankündigung so neugierig gemacht, dass ich mir das Buch gleich auf meinen Reader geladen habe. Da schlummerte es dann… doch nun endlich ist der perfekte Zeitpunkt gekommen, um es zu lesen.
Das Buch erzählt von vier Generationen einer Wiener Schauspielerinnen-Dynastie: Den Anfang macht 1927 Käthe Schlögel, die in einem selbst genähten hellblauen Kleid heimlich zum ersten Vorsprechen im Theater geht. Tatsächlich gelingt ihr eine große Karriere. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt ihre Tochter Marianne in ihre Fußstapfen. Deren Tochter Vera hingegen kämpft vergeblich gegen die übermächtigen Schatten ihrer beiden Vorfahrinnen, ihr gelingen als Schauspielerin nur kleinere Erfolge. Ganz im Gegensatz zu ihrer Tochter Sophie, 20 Jahre jung, die nun ihrerseits am Anfang einer vielversprechenden Karriere steht.
Vera sehnt sich nach der Anerkennung ihrer Mutter und beschließt, ein Drehbuch zu einer Dokumentation über ihre Eltern zu schreiben, denn Marianne hat seinerzeit den Filmstar Fritz Altmann geheiratet, gemeinsam waren sie das Film-Traumpaar der 1960er und 70er Jahre. Marianne reagiert jedoch ablehnend auf Veras Pläne, sie will ihr Privatleben nicht öffentlich machen. Erst nach und nach öffnet sie sich der Idee, stellt für ihre Zustimmung zu dem Projekt aber eine Bedingung: Die Dokumentation soll sich nicht allein um sie und Fritz drehen, sondern vielmehr schon mit ihrer Mutter Käthe beginnen. Das Projekt wird zu Mariannes Abrechnung mit der Vergangenheit.
Im Zuge ihrer Recherchen stößt Vera, von Marianne geführt, auf etliche bis dato wohlgehütete Familiengeheimnisse. Erschütternd sind vor allem Käthes Erlebnisse während der Nazi-Zeit: Von Kollegen wegen ihrer Liebe zu dem jüdischen Drehbuchautor Jakob erpresst, gibt sie ihren geliebten Schauspielerberuf zunächst ganz auf. Dann aber wird sie von dem mächtigen Produzenten Hans Bleck gezwungen, Filme zu drehen, die ins Propaganda-Schema der Nazis passen. Zudem verlangt er von ihr, Kollegen anzuschwärzen, die sich dem Widerstand angeschlossen haben. Leider weiß er so einiges über Käthe, was zu dieser Zeit ihr sicheres Verderben bedeuten könnte – und nicht nur ihres.
Fast neunzig Jahre später verliebt sich Sophie in Berlin in einen jungen Regieassistenten und ist entsetzt, als sie seinen Namen erfährt: Es ist Fabian Bleck, der Urenkel jenes Hans Bleck, der dafür verantwortlich ist, dass die stolzen Altmann-Frauen seit damals nie wieder mit der Bleck-Produktionsgesellschaft gearbeitet haben und überhaupt der Name Bleck im Hause Altmann nicht mehr erwähnt werden darf. Was wird Sophies Großmutter Marianne dazu sagen, dass sie sich nun ausgerechnet in einen Bleck verliebt hat?
Und auch Vera kommt bei der Suche nach Produzenten für ihre Doku nicht an der Firma der Familie Bleck vorbei. Marianne zeigt sich unversöhnlich und ihre Tochter und Enkelin ahnen: Da muss noch mehr passiert sein zwischen ihr und Hans Bleck. Wird das Projekt, das Vera so wichtig ist, nun im allerletzten Moment gekippt?
Von der ersten Seite an hat mich dieser Roman vollkommen in seinen Bann gezogen. Die Geschichte spielt abwechselnd in der Gegenwart, erzählt aus der Sicht von Marianne, Vera und Sophie, und in der Zeit zwischen 1927 und 1946, wenn es um Käthe geht. So endet beinahe jedes Kapitel mit einem Cliffhanger. Dabei ist jede Szene so anschaulich erzählt, dass ich das Gefühl hatte, ich sei mittendrin. Vor meinem geistigen Auge entstanden Theaterbühnen in Wien, Prag und München, Filmsets in Berlin, das Weingut und die Villa der Familie Altmann in Österreich und viele andere Schauplätze mehr. Witzig: Sogar eine Bar Edelmann in Berlin kommt vor, das fand ich natürlich besonders amüsant.
Einen sehr guten Einblick bekam ich beim Lesen auch in die Arbeit beim Film: Vom Schreiben des Drehbuchs über die Verhandlungen mit Produzenten, die Besetzung der Schauspieler und die Dreharbeiten bis hin zu den Testscreenings vor ausgewähltem Publikum wurde alles sehr spannend und meiner Einschätzung nach authentisch erzählt.
Und natürlich sind da die geschichtlichen Ereignisse, geschildert vor allem aus österreichischer Sicht, die meinem Wissen über die damalige Zeit noch so manchen neuen Aspekt hinzugefügt haben. Gerade die Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus lebten ja besonders gefährlich, ihre Arbeit glich oftmals einem Drahtseilakt.
Kurzum: Ein ausgesprochen packender Roman, der mich Nächte lang wach gehalten hat, weil ich das Buch einfach nicht mehr weglegen konnte. Eine ganz klare Leseempfehlung, nicht nur für Filmfans und Liebhaber historischer Romane.