Kurschattenaffäre

Erstellt am 28.1.21. Kategorie: Buchrezensionen
„Kurschattenaffäre“
von Lisa Graf-Riemann
Bewertung
★★★★☆
Verlag Servus Verlag
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Januar 2021
Seiten 283
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Im vergangenen Jahr habe ich mit großer Begeisterung die Trilogie rund um das Grandhotel Schwarzenberg von Sophie Oliver gelesen. Darin geht es um das Schicksal einer Hoteliersfamilie in Bad Reichenhall in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte hat mir so gut gefallen, dass seitdem mein Wunsch, diesen schönen Kurort an der Grenze zu Österreich mal wieder zu besuchen, stetig gewachsen ist. Kein Wunder also, dass ich sofort angetan war, als ich las, dass auch „Kurschattenaffäre“ in Bad Reichenhall spielt, zwar in der Gegenwart, aber auch diesmal ist das Grand Hotel einer der wesentlichen Schauplätze.

Ausnahmsweise beginne ich meine Rezension mal mit dem Klappentext: „Ein Mord auf der Terrasse des Grand Hotels Axelmannstein in Bad Reichenhall! Da wird es eng für Alexander „Sascha“ Maiensäss. Nicht nur treibt er als Hochstapler sein Unwesen, obendrein hat er sich auf eine besonders brenzlige Affäre eingelassen: mit der Frau des Mordopfers…
Charmant, stilvoll und vor der illustren Kulisse Bad Reichenhalls nimmt Hochstapler und Gentlemanverbrecher Sascha die Fährte auf. Aus der Not heraus. Dabei will er nur das Beste – für sich selbst, versteht sich.“ (Zitat)

Ich muss gestehen, dass der Begriff „Gentlemanverbrecher“ bei mir völlig falsche Erwartungen geweckt hat. Ich verstand darunter einen Typus ähnlich wie z.B. George Clooney in „Ocean’s Eleven“, also sehr smart, elegant, charmant, unglaublich cool, ein wenig unverfroren und skrupellos, dabei aber augenzwinkernd… wisst Ihr, was ich meine? Außerdem hatte ich anhand des Klappentextes gedacht, bei Sascha handele es sich um einen Hotelgast, der im vornehmen Grand Hotel sein Unwesen treibt, vielleicht als Heiratsschwindler.

Ganz falsch gedacht. Sascha ist ein Einheimischer und zum Hochstapler wird er nur aus Versehen, als ihn nämlich sein Freund, Inhaber einer Massagepraxis, bittet, kurzfristig für ihn einzuspringen. Die Patientin Mira Schimmel, eine Arztgattin aus Berlin, brauche sowieso eher jemanden zum Reden, das bekomme Sascha schon hin, meint der Freund. Also mimt Sascha den Physiotherapeuten und traut sich danach nicht mehr, die Scharade aufzuklären, denn er hat sich in Mira verliebt und sie sich in ihn. Sie vertraut ihm an, wie sehr sie unter ihrem dominanten, übergriffigen und gewalttätigen Ehemann leide und weckt dadurch Saschas Beschützerinstinkt. Er ist wirklich aufrichtig besorgt um Mira und auch das widerspricht meiner Meinung nach der Beschreibung im Klappentext, dass er nur das Beste für sich selbst wolle. Ein Egoist ist Sascha nicht, schließlich kümmert er sich auch aufopferungsvoll um seine Großtante Pauline, bei der er lebt und die er trotz ihrer etwas biestigen Art ins Herz geschlossen hat.

Zwar tritt Sascha in seinem Aushilfsjob als Croupier der örtlichen Spielbank durchaus elegant und gut gekleidet auf, privat liebt er es aber leger und ist zudem eher phlegmatisch – insofern erinnert er mich ein bisschen an den Eberhofer Franz aus der Krimireihe von Rita Falk. Und was dem Franz seine Oma ist, ist dem Sascha eben seine Großtante.

Kurzum: Sascha entspricht nicht dem Bild, das ich von einem Gentlemanverbrecher hatte. Was aber nicht heißt, dass mir der Krimi nicht gefallen hätte, ganz im Gegenteil! Die Geschichte ist äußerst spannend, einfühlsam und aus wechselnden Perspektiven geschildert. Zu Wort kommen nicht nur Sascha und Mira, sondern auch der Personenschützer Bruno Beckmann. Der soll in Bad Reichenhall die Bundesverteidigungsministerin beschützen, als diese die Gebirgsjäger besucht. Ganz nebenbei kann er vor Ort auch sein persönliches Trauma aufarbeiten. Auch die Lokaljournalistin Daniela, eine alte Freundin von Sascha, spielt keine ganz unwesentliche Rolle, denn sie ist direkt vor Ort, als Miras Gatte von einem gezielten Schuss tödlich getroffen wird.

Schlussendlich war ich vom Ausgang der Geschichte dann doch ein wenig enttäuscht. Denn der Leser weiß von Anfang an mehr als die Protagonisten oder gar die Polizei, weshalb die Verhaftung des Täters am Ende wenig überraschend kommt und beinahe schon zu unspektakulär vonstatten geht. Ein weiterer Erzählstrang – Sascha wird in der Spielbank unfreiwilliger Helfer einer Betrügerbande – wird gar nicht richtig auserzählt, da hätte ich mir mehr erwartet.

Nichtsdestotrotz macht das Buch Lust auf mehr. Die Protagonisten sind allesamt interessant und sympathisch und ich möchte gerne noch mehr von ihnen lesen, zumal etliche Fragen am Ende offen bleiben: Wie geht es weiter mit Sascha und Mira? Was steckt hinter dem schwierigen Verhältnis von Sascha und seinem Vater? Vor was flüchtet seine Mutter ans andere Ende der Welt? Und dann ist da noch die tragische Liebesgeschichte von Saschas Urgroßmutter, die 1914 eine „Kurschattenaffäre“ mit einem russischen Fürsten hatte und am Ende mit einem unehelichen Kind, Saschas Großvater, zurückblieb. Im Laufe des Krimis entdeckt Sascha alte Briefe des russischen Verehrers, hier würde ich zu gern erfahren, wie es weitergeht. Stellt Sascha noch Nachforschungen an, um die russische Verwandtschaft ausfindig zu machen?

Die gute Nachricht: „Kurschattenaffäre“ ist der Auftakt zu einer neuen Krimireihe. Ich hoffe also sehr, dass diese Fragen in den Folgebänden noch geklärt werden.