„Hier wohnt das Glück“ | |
von Dagmar Hansen | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Rowohlt |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Juni 2021 |
Seiten | 334 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Es gibt Neues von Dagmar Hansen! Von ihr hatte ich Anfang 2020 den Roman „Alle Tage, die wir leben“ gelesen, der mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Deshalb habe ich mich auch sehr auf ihr neues Werk gefreut und ich wurde nicht enttäuscht.
Diesmal steht die Berlinerin Sylvie im Mittelpunkt, Anfang 60, gerade in den Ruhestand gegangen. Jahrelang hat sie ihre kranke Mutter gepflegt, nun ist diese gestorben und Sylvie fällt in ein tiefes Loch. Ihr fehlt eine Aufgabe, ein neues Ziel in ihrem Leben. Kurzentschlossen fährt sie für ein paar Wochen in Urlaub, um zur Ruhe zu kommen, sich selbst wiederzufinden und sich zu überlegen, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen will.
Ihr Urlaubsdomizil findet sie über eine Haustauschbörse im Internet: Ein umgebauter Zirkuswagen, romantisch auf einer Wiese stehend, im Dorf Angelsby an der Flensburger Förde. Dessen Besitzer Arne zieht derweil in Sylvies Wohnung in Berlin. Dort treffen sich die beiden zur Schlüsselübergabe, dann macht sich Sylvie frohen Mutes auf den Weg in den Norden. Doch schon die Anreise gestaltet sich stressig und bei der Ankunft stellt Sylvie fest, dass der Zirkuswagen gleich neben einer Ziegenweide steht und in direkter Nachbarschaft zu Arnes Nichte Jördis, einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, drei Katzen und einem Hund.
Doch davon lässt sich Sylvie nicht entmutigen. Ihr Tagesplan sieht vor, frühmorgens noch im Bett eine Achtsamkeitsübung zu machen, dann Waldbaden zu gehen, gesund zu frühstücken, zu meditieren (die passende CD liegt schon bereit) und dann per Fahrrad zu Ausflügen in die Umgebung aufzubrechen. Statt sich unterwegs eine Fischsemmel zu kaufen, will sie lieber eine selbst zubereitete Bowl mitnehmen.
Ich musste schon beim Lesen lachen, denn es war ja irgendwie von vorneherein klar, dass sie mit ihren guten Vorsätzen nicht weit kommen wird. Und tatsächlich: Beim Waldbaden muss sie vor einer Wildschweinrotte flüchten, der Porridge schmeckt nicht, die CD entpuppt sich als schreckliches Gejaule, auf dem Ausflug ist die Fischsemmel dann doch verlockender als die Bowl – leider auch für eine Möwe, die ihr die Fischsemmel flugs entreißt – und auf dem Heimweg hat ihr Fahrrad einen Platten.
Klingt alles nicht so erfreulich, aber dennoch fühlt Stadtpflanze Sylvie sich auf dem Dorf schnell wie daheim. Mit Jördis und deren Kindern freundet sie sich ebenso an wie mit Hauke, dem Besitzer des Dorfladens, und mit Cafébetreiberin Maria. Und bald werden auch die Telefonate mit Arne zu einer liebgewonnenen Routine: Die beiden erzählen sich gegenseitig von ihren Erlebnissen und werden sich dabei immer vertrauter.
Einem Vorsatz bleibt Sylvie aber tatsächlich treu: Sie schreibt täglich ihre Gedanken und Ideen in ein Notizheft, um sich auf diese Weise klar darüber zu werden, wie und wo sie in Zukunft leben will. Ausgerechnet ein Zahnarzt in Flensburg spielt dabei keine ganz unwesentliche Rolle.
Wieder einmal hat Dagmar Hansen es geschafft, dass ich mich von der ersten Seite an in ihrer Geschichte wohlgefühlt habe. Sylvie war mir von Grund auf sympathisch und ihre Einstellung zum Leben – nachdenklich, aber grundsätzlich positiv – fand ich einfach wunderbar. So konnte ich auch mit ihr gemeinsam darüber schmunzeln, wie sich ihre Vorsätze einer nach dem anderen in Luft aufgelöst haben.
Mir gefällt auch besonders gut, dass es sich hier bei der Protagonistin um eine „gestandene“ Frau in der Mitte ihres Lebens handelt. Nennt mich alt, aber eine solche Lebenssituation ist mir deutlich näher als eine junge Frau auf der Suche nach Mr. Right, wie sie in vielen anderen Romanen die Hauptrolle spielt. Nicht nur deshalb habe ich die Lektüre sehr genossen und das Buch am Ende mit einem zufriedenen Seufzer zugeklappt. Eine rundum gelungene Wohlfühllektüre!
Vor über zwanzig Jahren habe ich selbst einmal Urlaub an der Schlei gemacht und dabei viele Orte besucht, die auch im Buch vorkommen, wie z.B. Flensburg und Glücksburg. Im Roman ist das alles so liebevoll beschrieben, dass ich große Lust bekommen habe, wieder einmal in diese Region zu fahren. Nur den Ort Angelsby werde ich dann wohl nicht besuchen können, denn dieses Dorf ist auf keiner Landkarte verzeichnet.