Zwei Wochenenden, zwei Stadtführungen: Endlich erlauben es die Coronazahlen wieder, Stadtrundgänge und Führungen zu veranstalten. Das habe ich zusammen mit zwei Freundinnen gleich ausgenutzt und dabei wieder viel Interessantes über die Münchner Stadtgeschichte gelernt.
Romanspaziergang mit Heidi Rehn
Bekanntlich bin ich ein großer Fan der Romane von Heidi Rehn und auch ihre Stadtführungen in München auf den Spuren ihrer Romane sind immer sehr informativ. Auch als Münchnerin lerne ich dabei immer noch etwas dazu. Und deshalb habe ich mich zusammen mit einer Freundin natürlich auch gleich angemeldet, als die Autorin nun einen neuen Streifzug auf den Spuren ihres Krimis „Das doppelte Gesicht“ anbot.
Dieser Krimi spielt in München im Sommer 1945, also direkt nach Kriegsende. Damals waren etwa 80 Prozent der Gebäude in der Münchner Altstadt vom Krieg zerstört – was eine Stadtführung auf den Spuren dieser Zeit nicht unbedingt einfacher macht. Heidi Rehn hat dennoch einige markante Punkte in München gefunden.
Los ging es zwischen dem Alten Botanischen Garten und dem Königsplatz. In einer ruhigen Seitenstraße (in der ich zugegebenermaßen noch nie zuvor war) steht das Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Erst durch die Autorin erfuhr ich, dass es sich hierbei einst um den Verwaltungsbau der NSDAP gehandelt hat. Überhaupt standen in diesem Viertel viele von den Nazis errichtete Gebäude – mit ein Grund, warum sich heute auch in direkter Nachbarschaft das NS-Dokumentationszentrum befindet. Im Gebäude, das heute das Zentralinstitut für Kunstgeschichte beherbergt, wurde nach Kriegsende im Auftrag der US-Militärregierung eine Sammelstelle für Nazi-Beutekunst eingerichtet.
Weiter ging unser Rundgang zu einem Gebäude, bei dessen Anblick ich gleich ein schlechtes Gewissen bekam: Ich muss nämlich noch meine Steuererklärung machen und wir standen nun vor der Oberfinanzdirektion München. In diesem Gebäude befindet sich auch der Sophiensaal, der (außer zu Coronazeiten) für Empfänge und Konzerte genutzt wird. Auch dieser 1943 von den Nazis errichtete Bau wurde nach Kriegsende von der US-Militärregierung beschlagnahmt, im Sophiensaal fanden Gerichtsverhandlungen statt.
Nächster Stopp war in der Ettstraße, wo sich das Münchner Polizeipräsidium befindet. Das Gebäude kennt man ja u.a. aus dem Münchner Tatort, weniger bekannt ist die Geschichte der bayerischen bzw. Münchner Polizei nach dem Zweiten Weltkrieg. In Heidi Rehns Krimi werden die (Wieder-) Anfänge der Polizei wunderbar beschrieben.
Durch die Fußgängerzone führte unser Weg zum Neuen Rathaus, das 1909 fertiggestellt und im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. Dazu komme ich weiter unten aber noch einmal ausführlich.
Letzte Station des Streifzuges mit Heidi Rehn war das Haus der Kunst. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Nationaltheater und an der Theatinerkirche vorbei und spazierten durch den Hofgarten:
Das Haus der Kunst hatte schon in einem früheren Romanspaziergang mit Heidi Rehn eine wichtige Rolle gespielt, damals ging es um den Roman „Der Himmel über unseren Träumen“, der in den 1950er Jahren spielt und u.a. den Wiederaufbau zum Thema hat. Auch beim Haus der Kunst handelt es sich um einen Nazi-Bau, der von den Amerikanern nach dem Krieg für große Veranstaltungen genutzt wurde. Legendär waren die dortigen Faschingsbälle, aber sogar ein Basketballfeld wurde dort eingerichtet! Heute zeigt das Museum genau die Art von Kunst, die unter Hitler als „entartet“ gegolten hätte – gut so!
Fazit: Es war wieder einmal höchst lehrreich, informativ und unterhaltsam, mit Heidi Rehn auf den Spuren ihres Krimis unterwegs zu sein. Glücklicherweise sind solche Stadtführungen nun trotz Corona wieder möglich, in kleineren Gruppen, mit viel Abstand und an der frischen Luft. Wer nun selbst Lust auf solch einen literarischen Spaziergang bekommen hat, findet auf der Homepage der Autorin die aktuellen Termine. Unterwegs las Heidi Rehn immer wieder kleinere Abschnitte aus ihrem Krimi vor und gab auch schon einige Ausblicke auf die Fortsetzung, die im November 2021 erscheinen soll. Ich bin schon sehr gespannt darauf!
Tour durch das Neue Rathaus
Nur eine Woche später war ich schon wieder zu einer Führung in München. Diesmal besichtigte ich das Neue Rathaus. Auslöser dafür war die Juristische Bibliothek, die dort untergebracht ist, denn seit ich Bilder davon gesehen hatte, wollte ich diese Bibliothek unbedingt einmal sehen und eine Führung durch das Rathaus bietet dazu die ideale Gelegenheit, zumal das Gebäude auch sonst noch viel Sehenswertes zu bieten hat. Gebucht hatte ich zusammen mit einer Freundin direkt beim Münchner Tourismusamt – wie sich herausstellte, hatten wir die erste Führung nach eineinhalbjähriger Zwangspause wegen Corona erwischt!
Treffpunkt der Führung war vor der Tourist-Info im Erdgeschoss des Gebäudes. Von dort ging es erstmal in die Mitte des Marienplatzes, um das Gebäude von außen in Ruhe betrachten zu können. Gebaut wurde es übrigens zwischen 1967 und 1909 von Georg von Hauberrisser, der gerade einmal 25 Jahre jung war, als er den Auftrag für den Bau erhielt! Erbaut ist das Rathaus im neogotischen Stil, es sieht dadurch deutlich älter aus, als es eigentlich ist.
An der Fassade gibt es allerhand zu entdecken. So sind hier u.a. zahlreiche Mitglieder der Wittelsbacher verewigt, aber am „Wurmeck“ am südwestlichen Rand des Gebäudes findet sich auch ein Drache, außerdem gibt es viele Münchner Originale, Wasserspeier, Sagengestalten, Fratzen und Masken. Und auch im Gebäudeinneren hat der Architekt viel Sinn für Humor bewiesen: Immer wieder entdeckt man an Säulen lustige Figuren wie zum Beispiel einen Affen oder ein küssendes Pärchen. Allein schon deshalb könnte man stundenlang im Gebäude auf Entdeckungsreise gehen!
Flure, Treppen und Fenster
Nachdem auch das berühmte Glockenspiel im Rathausturm angesprochen war, ging es durch die Pforte am Fischbrunnen endlich ins Innere des Rathauses. Die wunderbaren Treppenhäuser haben mich ganz besonders fasziniert:
Besonders eindrucksvoll sind aber auch die vielen schönen Buntglasfenster. Wir erfuhren, dass viele davon im Zweiten Weltkrieg leider zerstört wurden und deshalb später erneuert werden mussten. Die meisten der neueren Fenster wurden von Sponsoren gestiftet. Das erklärt auch, warum auf zwei Fenstern die Freiheitsstatue von New York und die Niagarafälle abgebildet sind: der Spender war Amerikaner. Aber natürlich gibt es auch Fenster, auf denen Münchner Stadtteile und Sehenswürdigkeiten dargestellt sind.
Die Sitzungssäle
Dann betraten wir endlich die „heiligen Hallen“, also die Sitzungssäle, in denen der Münchner Stadtrat tagt. Schließlich handelt es sich hier nicht um ein Museum, sondern um ein Verwaltungsgebäude, in dem tagtäglich gearbeitet wird. Durch den Vorraum ging es zunächst in den großen Sitzungssaal. Hier fällt zuerst das riesige Gemälde von Karl Theodor von Piloty auf, das sich über die gesamte Breite des Saales erstreckt (15 Meter!) und in dessen Mitte die Monachia dargestellt ist, die verdiente Münchner auszeichnet. Unter den 128 Personen auf dem Bild sind allerdings nur sieben Frauen.
Weiter ging’s zum kleinen Sitzungssaal, der noch viel prächtiger ist als der große:
Im Internet habe ich gelesen, dass dieser Raum an die Große Halle von Hogwarts in den Harry-Potter-Filmen erinnert. Ganz ist dieser Vergleich nicht von der Hand zu weisen. Mich haben vor allem die schweren Ledersessel beeindruckt und die reich verzierten Stuhllehnen, die tolle Decke und die Wandvertäfelungen. Nur sauber machen möchte ich hier nicht! Das Abstauben ist hier bestimmt kein Spaß…
Ausstellung Hans-Jochen Vogel
Auf unserem weiteren Weg kamen wir auch an einer Ausstellung vorbei, die gerade in den Gängen des Rathauses stattfindet. Dort wird an den vor einem Jahr verstorbenen Dr. Hans-Jochen Vogel erinnert, Münchens Oberbürgermeister von 1960 bis 1972, also in einer Zeit, die von großer Bautätigkeit geprägt war. Unter anderem fallen die Einführung der Fußgängerzone in der Innenstadt und der Bau des S- und U-Bahnnetzes in seine Amtszeit. Bei seinem Amtsantritt war er gerade mal 34 Jahre alt. Später machte er in der Bundespolitik Karriere.
Wir kamen auch direkt am Büro des heutigen Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter vorbei. Das Türschild ist auffallend bescheiden.
Juristische Bibliothek
Dann ging es zum nächsten Höhepunkt unserer Führung, nämlich zur Juristischen Bibliothek. Diese ist Teil der Münchner Stadtbibliothek und als solche der Öffentlichkeit zugänglich. Ab und zu finden hier auch Lesungen statt, außerdem diente der Raum auch schon als Filmkulisse, u.a. für „Cabaret“ mit Liza Minelli. Anders als im restlichen Rathaus spiegelt die Architektur hier den Münchner Jugendstil wieder, der zur Bauzeit gerade sehr in Mode war.
Für uns war klar: Hierhin müssen wir unbedingt mal zu einer Lesung kommen – eigentlich fast schon egal, von wem!
Rathausbalkon
Ein letzter Höhepunkt wartete noch auf uns: der berühmte Rathausbalkon – eben jener, auf dem die Fußballmannschaft des FC Bayern regelmäßig die Meisterschale triumphierend in die Höhe reckt. Auch wenn uns keine zigtausend Fans vom Marienplatz aus zujubelten, war es dennoch ein sehr erhebendes Gefühl, selbst einmal auf diesem Balkon zu stehen. Besonders erwähnenswert: Die Bepflanzung auf dem Balkon ist bewusst extra insektenfreundlich gehalten.
Rund 90 Minuten dauerte die kurzweilige Führung und am Ende verließen wir das Gebäude fast schon erschlagen von all den unterschiedlichen Eindrücken. Aber so viel steht fest: Ich würde diese Tour glatt nochmal mitmachen, so schön war sie!