Das Kaffeehaus – Geheime Wünsche

Erstellt am 11.10.21. Kategorie: Buchrezensionen
„Das Kaffeehaus - Geheime Wünsche“
von Marie Lacrosse
Bewertung
★★★★★
Verlag Goldmann
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Oktober 2021
Seiten 752
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Endlich ist der dritte Teil der Kaffeehaus-Saga von Marie Lacrosse erschienen! Nachdem ich im September 2020 den ersten Teil, „Bewegte Jahre“, und im April 2021 den zweiten Teil, „Falscher Glanz“, regelrecht verschlungen habe, wartete ich schon gespannt auf den letzten Teil der Trilogie, der heute offiziell erscheint. Vielen Dank an den Verlag, der mir das Rezensionsexemplar schon etwas früher zukommen ließ, so dass meine Ungeduld nicht noch mehr strapaziert wurde 😉

Der dritte Teil beginnt im Jahr 1891 mit der Beerdigung von Sophies Onkel. Er hat in seinem Testament Sophie zur Haupterbin des Kaffeehauses und der Café-Konditorei Prinzess gemacht, allerdings hat er ihr seinen langjährigen Geschäftsführer Toni Schleiderer an die Seite gestellt – und das sorgt für Probleme, denn Schleiderer hatte fest damit gerechnet, selbst das Kaffeehaus zu erben. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Sophie gestaltet sich folglich mehr als schwierig, Schleiderer stellt sich grundsätzlich quer, wenn Sophie mit neuen Ideen auf ihn zukommt. Dennoch gelingt es ihr, einige Neuerungen durchzusetzen. Dazu gehören die aufwändigen Schaufensterdekorationen, für die sie den Künstler Gustav Klimt gewinnen konnte.

Daneben plagen Sophie aber noch ganz andere Sorgen, denn ihre Mutter und ihre jüngere Schwester Milli ziehen plötzlich bei ihr ein. Ihre Mutter hat sich von ihrem zweiten Mann, Sophies und Millis Stiefvater, getrennt und will sich scheiden lassen, aber das ist im k.u.k.-Kaiserreich längst nicht so einfach wie heute, vor allem läuft die Frau dabei stets Gefahr, ihre minderjährigen Kinder zu verlieren. Und so viel steht fest: Zu ihrem Stiefvater will Milli auf keinen Fall zurück! Sie scheint tief traumatisiert, schlafwandelt, hat Alpträume und sogar Suizid-Absichten, weshalb Sophie sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als mit ihr die Sprechstunde von Siegmund Freud aufzusuchen. Dem wird nachgesagt, dass er Frauen, die an „Hysterie“ leiden, behandeln kann – aber dringt er auch zu Milli durch?

Zum Glück hat Sophie in ihrer großen Liebe Richard von Löwenstein einen treuen Verbündeten – allerdings nur im Verborgenen, denn nach wie vor ist er mit Amalie verheiratet. Beide sind zutiefst unglücklich in ihrer Ehe, aber eine Scheidung ist – siehe oben – undenkbar. Richard macht derweil weiter Karriere beim Militär und muss leider auch einige Missstände innerhalb seiner eigenen Familie aufdecken.

Sophie knüpft inzwischen engeren Kontakt zu Arbeiterführerin Irene Gerban (fiktive Figur, siehe auch Maria Lacrosses Weingut-Romanreihe) und zu deren Mitstreiterin Adelheid Popp (reale Figur). Durch die beiden erfährt Sophie von den katastrophalen Bedingungen, unter denen Arbeiterinnen schuften müssen, um sich und ihre Familie mehr schlecht als recht zu ernähren. Sophie unterstützt die Anliegen der Arbeiterführerinnen nach Kräften und ist auch hautnah dabei, als es zum ersten großen Frauenstreik in der Geschichte der Arbeiterbewegung kommt.

Der Roman ist also wieder vollgepackt mit vielen spannenden Themen und Handlungssträngen, so dass trotz des Umfangs von über 700 Seiten keine Langeweile aufkommt. Neben den schon erwähnten historischen Persönlichkeiten kommen in diesem dritten Band auch die Literaten Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler sowie weitere Künstler vor und auch Kaiserin Sisi hat einen kurzen, aber fulminanten Auftritt. Ein weiteres Thema, das im Buch angeschnitten wird, ist der Antisemitismus, der damals vor allem von Karl Lueger, dem Begründer der Christlichsozialen Partei und späterem Bürgermeister von Wien, angeheizt wird.

So hat die Geschichte logischerweise viele sehr beklemmende Szenen aufzuweisen, die einem beim Lesen mal wieder vor Augen führen, wie gut wir es heutzutage doch haben, auch wenn viele der im Roman angesprochenen Probleme auch heute noch (oder wieder) in der Gesellschaft auftreten. Dank Sophie, der wirklich liebenswerten Protagonistin, werden all diese historischen Ereignisse erlebbar und hinterlassen beim Lesen einen tiefen Eindruck. Und bis zum Schluss (die Geschichte endet 1897) habe ich wirklich mit Sophie mitgefiebert und mitgelitten.

Kurzum: Mit „Geheime Wünsche“ (davon gibt es viele in dieser Geschichte) ist der Autorin ein ganz wunderbarer Abschluss ihrer Kaffeehaus-Saga gelungen. Es empfiehlt sich allerdings dringend, alle drei Bände der Reihe nach zu lesen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Sehr dankbar war ich auch diesmal wieder für das Personenregister gleich zu Beginn des Buches und auch für die Erläuterungen der Autorin zu ihren Recherchen im Anhang. Das Glossar, in dem typisch österreichische Begriffe erklärt sind, ist sicher auch für den einen oder anderen Leser hilfreich.

Fazit: Ein dicker Schmöker, den man aber dank der spannenden Handlung gut an einem verregneten Herbstwochenende in einem Rutsch durchlesen kann. Ich persönlich war am Ende fast ein wenig traurig, dass ich nun Abschied nehmen musste von Sophie, Richard und all den anderen. Oder gibt es irgendwann vielleicht doch noch einen vierten Band? Ich finde ja, da gäbe es noch genug zu erzählen…