„Betongold“ | |
von Tanja Weber | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Hoffmann und Campe |
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Buchform | gebunden, eBook |
Erschienen | Oktober 2021 |
Seiten | 239 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Mit dem geruhsamen Rentnerdasein ist es vorbei, als Ex-Mordermittler Josef Frey, genannt Smokey, seinen alten Freund Schani tot in der Baugrube liegen sieht. Zwar ist er selbst längst nicht mehr bei der Kripo tätig, aber der Tod seines Freundes lässt ihm keine Ruhe: War es Mord? Oder doch ein Unfall? Der Smokey beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und begibt sich dabei auch auf eine Reise in die Vergangenheit, denn schließlich kennen er, der Schani und der Hias, der Dritte im Bunde, einander schon seit der Schulzeit.
Alle drei stammen aus einfachen Verhältnissen, sind im Münchner Arbeiterviertel Giesing aufgewachsen und irgendwie nie davon losgekommen. Während der Smokey noch immer hier lebt, hat der Hias erst die Welt bereist, bevor er mit seiner Frau aus Haiti zurückgekehrt ist und die Eckkneipe übernommen hat. Und der Schani hat sich vom Gerüstarbeiter bis zum Immobilienhai hochgearbeitet. Sein Motto war immer „mehr“: mehr Geld, mehr Status, mehr Prestige… Dabei ist der Schani oftmals reichlich skrupellos vorgegangen und kannte bei seinen Immobilienspekulationen kein Mitleid mit älteren Mietern, die sich die Luxussanierung nicht leisten konnten. Feinde hatte der Schani deutlich mehr als Freunde – aber wer hatte ein wirkliches Mordmotiv?
„Betongold“ ist ein, wie ich finde, sehr ungewöhnlicher Krimi. Es geht um Geld, um Gier, um den Münchner Immobilienwahnsinn, um korrupte Banker und Beamte, aber auch um Familie und um Freundschaft und obendrein ist das Buch eine ganz wundervolle Liebeserklärung an die Stadt und eine großartige Milieustudie. In Rückblenden wird aus dem Leben der drei Freunde in den Jahren 1974, 1984, 1997, 2006, 2013, 2015, 2016 und 2019 erzählt, bis sich aus den vielen Puzzleteilen ein großes, stimmiges Ganzes ergibt – wobei mir besonders gut gefallen hat, dass gerade der Schani nicht nur als rücksichtsloser Spekulant, sondern auch als großzügiger, fürsorglicher Freund geschildert wird. Es ist eben nichts im Leben einfach nur schwarz oder weiß.
Die Autorin hat mich durch ihre Schilderungen mitgenommen auf ausgedehnte Streifzüge durch München, in die verschiedensten Ecken der Stadt, vom schicken Villenvorort Harlaching über den Olympiapark bis ins „Schmuddelviertel“ entlang der Tegernseer Landstraße und vor allem letzteres ist so liebevoll geschildert, als sei die Autorin selbst hier aufgewachsen – ist sie aber nicht, wie sie mir auf Nachfrage erzählt hat. Aber genau wie ich ist sie im Münchner Umland groß geworden und das merkt man einfach beim Lesen. Besonders gefallen hat mir auch der ganz besondere Schreibstil, ein wenig umgangsprachlich, mit gerade so viel Dialekt, dass auch Nicht-Bayern das Buch problemlos verstehen können. Der Stil hat mich an die alte TV-Serie „Münchner Gschichten“ von Helmut Dietl aus dem Jahr 1974 erinnert und ist wohl auch ein bisschen als Hommage an Dietl gedacht.
Alles in allem ist „Betongold“ ein ganz wunderbarer Kriminalroman, den ich in einem Rutsch durchgelesen habe, mit vielschichtigen, zumeist sympathischen Figuren, einem wunderbaren Sprachstil und ganz vielen Bildern im Kopf. Absolut lesenswert!
[Werbung, unbezahlt]