„Das Tor zur Welt - Hoffnung“ | |
von Miriam Georg | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Rowohlt |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Oktober 2022 |
Seiten | 647 |
Erhältlich bei | genialokal.de (Affiliate-Link, siehe Infos hier) |
Vor ziemlich genau drei Monaten habe ich den Roman „Das Tor zur Welt – Träume“ von Miriam Georg förmlich verschlungen. Es handelte sich dabei um den ersten Teil einer Dilogie, also eines Zweiteilers, der in Hamburg in der Zeit um 1911 spielt und vom Schicksal zweier ungleicher Frauen erzählt. Ein Großteil der Handlung ist in der Ballinstadt, der Auswandererstadt Hamburgs, angesiedelt, wo so viele Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft aufeinander treffen, die alle ein gemeinsamer Wunsch eint: Der Wunsch, nach Übersee auszuwandern und dort ein besseres Leben zu beginnen, fern von Not und Elend in der alten Heimat.
Der Roman hat mir so gut gefallen, dass ich ihn zu einem meiner Lesehighlights in diesem Jahr gekürt hatte. Und so viel vorneweg: Teil 2 steht dem in nichts nach. Was für ein Buch! Anfangs hatte ich zwar noch ein wenig Probleme, wieder in die Handlung hineinzufinden, denn im ersten Teil ist so viel passiert, es kamen so viele Personen vor und es wurden so viele Fährten gelegt, Geheimnisse angedeutet, aber noch nicht gelüftet, dass es mir unmöglich war, das alles in den drei Monaten zu behalten, die seit der Lektüre von Teil 1 vergangen sind. Doch zum Glück kam die Erinnerung beim Lesen ganz schnell wieder zurück.
Das Schicksal von Claire und Ava wird ab dem Jahr 1912 weitererzählt: Nachdem Claire sie hintergangen hat, ist Ava in die Ballinstadt zurückgekehrt und hat dort ihre Arbeit wieder aufgenommen. Zu Will fühlt sie sich weiterhin hingezogen, doch seit sie weiß, dass er verheiratet ist und Kinder hat, hält sie sich von ihm fern und ihre Gefühle unter Verschluss.
Claire wiederum ist nach ihrer überstürzten Flucht zurück in Hamburg: In Amerika hat man sie wegen einer Erkrankung nicht ins Land gelassen, sondern mit dem nächsten Schiff zurückgeschickt. Völlig mittellos kehrt sie nach Hause zurück und muss erst ihren Stolz überwinden, bevor sie ihrer Mutter und Ava wieder gegenübertreten kann. Groß ist ihr Entsetzen, als sie feststellen muss, dass ihre Mutter sich inzwischen mit Dr. Schwab verlobt hat, eben jenem Arzt, der bei Claire Hysterie diagnostiziert hatte und sie überhaupt erst zur Flucht gezwungen hat.
Auch diesmal überschlagen sich die Ereignisse, es gibt so manche dramatische Wendung und jedes Mal, wenn man beim Lesen ein wenig aufatmet und denkt, jetzt wird endlich alles gut, passiert wieder etwas, das alle Hoffnung zunichte macht. Vor allem die letzten 100 Seiten habe ich in einem Rutsch gelesen und konnte einfach nicht mehr aufhören, bevor ich nicht wusste, wie die Geschichte endet. Danach jedoch musste ich das Gelesene erstmal eine ganze Weile sacken lassen.
Neben Claire und Ava kommen auch viele weitere Personen zu Wort, die das Geschehen aus ihrer Perspektive schildern. Beinahe jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, die Spannung steigt stetig an. War mir Claire am Anfang von Teil 1 noch so gar nicht sympathisch, ist sie mir im Band 2 schon richtig ans Herz gewachsen und ich habe die ganze Zeit mit ihr mitgelitten, mitgebangt und mitgehofft.
In die fiktive Handlung verpackt sind viele tatsächliche Geschehnisse der damaligen Zeit. Da gibt es sehr erschreckende Schilderungen von den Nöten der Menschen, von ihrer bitteren Armut, die sie veranlasst, all ihre Hoffnung auf die Auswanderung zu setzen – und sie damit auch zu einer leichten Beute für Betrüger macht. Geschildert wird auch die damalige gesellschaftliche Stellung der Fraut, die quasi keine Rechte hat, egal ob arm oder reich. Beim Lesen habe ich eine tiefe Demut empfunden darüber, wie gut es uns Frauen heute geht – natürlich ist das Thema Emanzipation noch längst nicht abgeschlossen, da gibt es noch viel zu tun. Aber im Vergleich zur Situation von vor hundert Jahren sind die Bedingungen heute nahezu paradiesisch und dafür bin ich sehr dankbar.
Diesen Roman sollte man unbedingt lesen – aber erst, wenn man den ersten Teil gelesen hat, sonst ist vieles einfach nicht verständlich, weil man die Zusammenhänge gar nicht begreift. Am besten nimmt man sich beide Bücher direkt hintereinander vor, so dass man nach Band 1 mit seinen vielen Cliffhangern nahtlos weiterlesen kann – dann wird man mit einer Geschichte belohnt, die nach lange nachwirkt. Absolute Leseempfehlung!
[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]