Der Duft der Kirschblüten

Erstellt am 3.10.22. Kategorie: Buchrezensionen
„Der Duft der Kirschblüten“
von Rosalie Schmidt
Bewertung
★★★☆☆
Verlag dtv
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Juli 2022
Seiten 448
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Jetzt im Herbst, wo es draußen so kalt und regnerisch ist, trinke ich nachmittags wieder gerne eine Tasse Tee. Dazu, so dachte ich, passt hervorragend dieser historische Roman, dessen Dreh- und Angelpunkt ein Teehaus in Berlin ist. Die Geschichte beginnt im Jahr 1870. Die Familie Winterfeld, die das Teehaus führt, besteht aus Vater Wilhelm, Mutter Adele, den Töchtern Clara und Hetty sowie Sohn August. Letzterer ist Soldat und kämpft im deutsch-französischen Krieg, der Rest der Familie arbeitet im Teehaus. Allerdings wird Wilhelm in letzter Zeit immer verwirrter und orientierungsloser, so dass Clara zunehmend die Geschäfte führt, jedoch nur verborgen im Hintergrund, da sich in dieser Zeit für eine Frau eine solche Arbeit eigentlich nicht schickt.

Als die Familie in finanzielle Not gerät, bietet Claras Jugendfreund Franz ihr die Ehe an und damit verbunden eine finanzielle Unterstützung für das Teehaus. Clara ist hin- und hergerissen. Denn einerseits will sie das Teehaus unbedingt retten, andererseits fühlt sie für Franz höchstens eine alte Verbundenheit und Freundschaft, aber keine Liebe. Vielmehr fühlt sie sich auf ganz einzigartige Weise zu Akeno hingezogen, dem jungen Japaner, der kürzlich als Handelsvertreter zu Gast war und ihr Interesse an Japan und japanischem Grüntee geweckt hat. Seit diesem Besuch stehen Clara und Akeno in Briefkontakt und Clara fühlt, dass auch sie Akeno nicht gleichgültig ist. Aber eine Liebe zwischen Deutschland und Japan, das kann doch nicht gutgehen?

Franz will nicht länger warten und unter dem Druck der Familie und der gesellschaftlichen Konventionen gibt Clara nach und willigt in die Hochzeit ein. Doch schon bald stellt sich heraus, dass die Ehe ein großer Fehler war: Franz ist eifersüchtig und überwacht jeden ihrer Schritte, Clara fühlt sich gefangen und ihre Sehnsucht nach der großen weiten Welt, insbesondere nach Japan, steigt ins Unermessliche. Als sie Akeno wiedersieht, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich mich so richtig in die Geschichte hineinfinden konnte. Die Handlung plätschert lange Zeit so dahin, ohne dass wirklich Spannung aufkommt, so dass ich abends nach einem anstrengenden Arbeitstag oft gar keine Lust verspürte, das Buch zur Hand zu nehmen und weiterzulesen. Erst in der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte an Fahrt auf, da hätte man also ruhig noch deutlich straffen können.

Clara als Protagonistin war für mich nicht wirklich greifbar. Sie wird im Klappentext als unkonventionell beschrieben, was insofern stimmt, als sie tatkräftig und geschäftstüchtig ist, was für die damalige Zeit vermutlich tatsächlich eher unkonventionell war. Als „starke Frau“, wie sie an anderer Stelle genannt wurde, sehe ich sie aber nicht, dafür hat sie meiner Ansicht nach zu selten wirklich den Mund aufgemacht und sich zur Wehr gesetzt, als sie die Chance dazu gehabt hätte. Ihre Gefühle für Akeno und ihr Fernweh fand ich – im Gegensatz zu manch anderen Rezensenten – hingegen recht nachvollziehbar dargestellt.

Andere Rezensenten bemängelten auch die einseitige Darstellung von Franz. Dem kann ich wiederum gar nicht zustimmen, ganz im Gegenteil, seine Figur fand ich sehr ambivalent und widersprüchlich, aber nachvollziehbar: Er scheint Clara wirklich zu lieben, kann aber nicht damit umgehen, dass sie sich innerlich immer mehr von ihm zurückzieht, ganz offensichtlich lieber woanders wäre als bei ihm, was ihn zu verzweifelten Maßnahmen greifen lässt.

Sehr anschaulich geschildert wurde die japanische Teezeremonie und ich habe beim Lesen viel Wissenswertes über Tee, insbesondere japanischen Grüntee, erfahren, hier merkt man, dass die Autorin selbst aus einer Teehandelsfamilie stammt. Tatsächlich hatte ich bei der Lektüre permanent Lust, mir eine schöne Tasse Tee aufzubrühen. Ebenso fand ich das Berlin der 1870er-Jahre sehr anschaulich geschildert, das konnte ich mir direkt bildlich vorstellen.

Der Roman ist der Auftakt zu einer Buchreihe, leider konnte ich aber nicht in Erfahrung bringen, wie viele Teile noch folgen werden. Band 2, so steht es am Buchende, soll jedenfalls im Frühjahr 2023 erscheinen. Band 1 endet zwar mit einem Cliffhanger, jedoch bin ich noch nicht sicher, ob meine Neugier groß genug ist, dass ich auch Band 2 lesen werde. Mal sehen.

[Werbung, unbezahlt] [Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]