Heumahd

Erstellt am 12.7.23. Kategorie: Buchrezensionen
„Heumahd“
von Susanne Betz
Bewertung
★★★★★
Verlag Bertelsmann
Buchform gebunden, eBook
Erschienen August 2022
Seiten 316
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Vor einigen Monaten habe ich meiner Freundin Alexandra diesen Roman zum Geburtstag geschenkt, weil ich dachte, das könnte eine passende Geschichte für sie sein. Allerdings habe ich nicht geahnt (und hätte auch nicht zu hoffen gewagt), wie begeistert sie von der Lektüre sein würde! Nämlich so sehr, dass sie nun dankenswerterweise schon zum zweiten Mal eine Gastrezension für meinen Blog geschrieben hat. Lest also nun, wie ihr das Buch gefallen hat:

Im Winter des Jahres 1886 wird die erst 23-jährige Vroni Grasegger plötzlich Witwe, da ihr gewalttätiger Ehemann betrunken auf dem Heimweg stürzt und erfriert. Die junge Frau trauert ihrem Mann nicht nach, steht nun aber vor der Aufgabe, den geerbten Bergbauernhof am Fuße des Karwendelgebirges im Werdenfelser Land nur mit dem treuen Knecht Korbinian und einer neidischen, verbitterten Magd zu bewirtschaften und sich allen Widrigkeiten entgegenzustellen. Als wäre das nicht schon genug, kümmert sie sich liebevoll um Rosl, die Tochter ihres verstorbenen Mannes, die augenscheinlich am Downsyndrom leidet und von allen nur „Idiotenkind“ genannt und oft verspottet wird. Auch den alten, gebrechlichen Onkel pflegt sie herzlich und sorgt dafür, dass er nicht vernachlässigt wird.

Nach dem Trauerjahr sieht sich Vroni dem Argwohn der anderen Dorfbewohner ausgesetzt, da sie nicht wieder heiraten möchte und die ledigen Männer des Dorfes, die sie nur ehelichen möchten, um den Hof übernehmen zu können, auf Abstand hält. Die Graseggerin will ihre zurückgewonnene Freiheit behalten und trotz des fehlenden Fachwissens gelingt es ihr bald, anfallende Probleme bei der Heumahd einfallsreich zu lösen, sie arbeitet hart bei Wind und Wetter und beweist großes Geschick bei der Führung des Hofes. Dennoch hadert sie bisweilen mit ihrem Schicksal und genau da tritt der inspirationssuchende Kunstmaler Wilhelm Leibl in ihr Leben, der ihr ein guter Freund und eine moralische Stütze wird. Er öffnet der jungen Bäuerin aber nicht nur sprichwörtlich den Blick. Schnell erkennt er, dass Vroni sehr kurzsichtig ist und schenkt ihr eine Brille, mit der sie nun ihre Umwelt nicht nur besser sehen kann, sondern auch die Schönheit der sie umgebenden Natur erstmals bewusst wahrnimmt. Dass er ihr auch noch seinen Freund Reginald vorstellt, der ihr dabei hilft, der kleinen Rosl das Sprechen beizubringen und sie durch motorische Übungen fordert und fördert, scheint ein wahrer Glücksfall zu sein. Durch seine Anwesenheit wird Vroni zudem bewusst, dass sie durchaus und trotz ihrer traumatischen Erfahrungen noch in der Lage ist, Gefühle für Männer zu entwickeln. Im Laufe der Zeit wird beiden jedoch bewusst, dass sie aus verschiedenen Welten kommen, die niemals zusammenpassen können, und so verschwindet Reginald wieder aus dem Leben von Vroni, Rosl und Wilhelm Leibl, wo er zunächst eine große Leere hinterlässt. Aber da gibt es auch noch Anton, den gefühlvollen Sohn einer resoluten Großbäuerin, der sich durch Taten und nicht durch große Worte mühsam einen Weg in Vronis Herz bahnt.

Susanne Betz ließ sich durch das Bild „Mädchen mit weißem Kopftuch“ von Wilhelm Leibl, der einer der bedeutendsten Vertreter des Realismus in Europa war, zu diesem Buch inspirieren. Die Autorin schreibt in so wundervollen Worten, dass das Lesen der (fiktiven und dennoch absolut glaubhaften) Geschichte von Vroni Grasegger schlichtweg ein Genuss ist. Jeder einzelne Charakter wird so detailliert beschrieben, dass man fast glauben könnte, die Protagonisten persönlich zu kennen. Die großartige und bildhafte Beschreibung der Natur im Werdenfelser Land und des harten Lebens der Bauern lassen Platz für viel Gefühl, allerdings immer ohne Kitsch oder romantische Verklärung der damaligen Zeit. Susanne Betz setzt nicht auf reißerische Plot-Twists oder versucht künstlich Spannung zu erzeugen. Das Schicksal der jungen Bäuerin ist mitreißend genug und gerade die unaufgeregte und angenehm ruhige Schreibweise dieser Autorin macht das Buch zu einem grandiosen Pageturner, der lange nachhallt.

Fazit: Für mich eines der besten und authentischsten Bücher, die ich in letzter Zeit lesen durfte und deshalb mit der maximalen Anzahl von fünf Sternen zu bewerten.

Vielen Dank, liebe Alexandra, für diese sehr ausführliche und informative Rezension!

[Werbung, unbezahlt]