„Was das Meer verspricht“ | |
von Alexandra Blöchl | |
Bewertung
★★★★★
|
|
Verlag | dtv |
---|---|
Buchform | gebunden, eBook |
Erschienen | März 2024 |
Seiten | 277 |
Erhältlich bei | genialokal.de (Affiliate-Link, siehe Infos hier) |
Eine kleine Insel, irgendwo hoch oben im Norden, weit weg vom Festland und gefühlt irgendwo am Ende der Welt. Hier wohnt Vida mit ihren Eltern und einer Handvoll weiterer Inselbewohner. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Zander, der der Insel den Rücken gekehrt hat, hat Vida ihr Leben hier nie in Frage gestellt: Sie wird den Lebensmittelladen ihrer Eltern übernehmen, ihren Kindheitsfreund Jannis heiraten – und weiterhin versuchen, die Lücke zu schließen, die Zanders Weggang bei ihren Eltern hinterlassen hat.
Dieses beschauliche, gleichförmige Leben gerät in Turbulenzen, als Marie auf die Insel zieht: Ungefähr im gleichen Alter wie Vida, liegt es nahe, dass die beiden jungen Frauen sich anfreunden. Marie ist ganz anders als alle anderen Menschen, die Vida kennt. So schwimmt sie z.B. mit einer Meerjungfrauenflosse bei jedem Wetter im Meer. Vida ist fasziniert und schon bald entwickelt sie Gefühle für Marie, die sie verwirren, denn nie zuvor hat sie so viel Leidenschaft und Sehnsucht verspürt, gleichzeitig ist sie sich bewusst, dass sie kurz vor der Hochzeit mit Jannis steht und es einen handfesten Skandal gäbe, wenn ihre Beziehung zu Marie öffentlich würde. Doch immer häufiger fragt sie sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie statt Zander die Insel verlassen und ein ganz anderes Leben gelebt hätte. Was hätte sie mit diesem Leben angefangen, welchen Beruf ergriffen, wen geliebt?
Und dann kommt völlig überraschend Zander zurück auf die Insel und erneut wird Vidas bisherige Lebensplanung über den Haufen geworfen: Wie selbstverständlich nimmt Zander den Platz ein, den seine Eltern einst für ihn vorgesehen hatten und der zwischenzeitlich von Vida besetzt wurde. Mehr noch, er hat ganz offensichtlich ein Auge auf Marie geworfen. Und die verhält sich Vida gegenüber plötzlich kühl und unnahbar. Vidas komplettes Lebensgerüst gerät ins Wanken, sie findet sich in einem Gefühlsstrudel wieder, aus dem sie sich nicht mehr befreien kann – bis zum bitteren Ende.
Diese Geschichte besticht von der ersten Seite an durch ihren ganz besonderen Erzählstil. Die einzelnen Kapitel sind sehr kurz, oft nur ein, zwei Seiten lang, und werden ausschließlich aus Vidas Perspektive geschildert. So entsteht der Eindruck eines Tagebuchs oder von Erinnerungsfetzen, die die Protagonistin dem Leser geraume Zeit nach den Ereignissen des Buches erzählt. Oft gibt es Andeutungen im Sinne von „damals ahnte ich noch nicht, dass …“, so dass man langsam, aber sicher merkt, dass die Geschichte auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuert.
Bis es soweit ist, wird man vollkommen in den Bann dieser sehr eigenen Szenerie gezogen: Die raue Landschaft, der Wind, das Meer, die Wellen, die oft etwas eigenbrötlerisch wirkenden Menschen … es ist wie ein kleiner, in sich abgeschlossener Kosmos. Wohl deshalb war mir Marie von Anfang an nicht sonderlich sympathisch, denn ich habe sie als Eindringling, als Störenfried empfunden, die das Gleichgewicht auf der Insel ins Wanken bringt. Mit Vida habe ich hingegen vom ersten Moment an mitgefühlt, ich habe ihre zunehmende Verwirrung nachempfinden können und ihr von Herzen gewünscht, dass sie die Kraft aufbringt, ihr eigenes Leben zu leben und dafür auch die eine oder andere schmerzhafte Entscheidung zu treffen.
Ein ganz besonderes Buch, das in keine Schublade passt und noch lange nachhallt. Kein Roman zur leichten Unterhaltung zwischendurch, sondern eine tiefschürfende, ganz ruhig erzählte Geschichte, die man wirken lassen muss. Ganz klare Leseempfehlung!
Alexandra Blöchl hat unter den Pseudonymen Lea Coplin und Anne Sanders bereits zahlreiche erfolgreiche Romane veröffentlicht. Mit „Was das Meer verspricht“ hat sie eine ganz neue Richtung eingeschlagen. Dafür erhielt sie ein Arbeitsstipendium für Literatur der Stadt München.
[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]