„An den grünen Hängen des Vesuv“ | |
von Marie Matisek | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Droemer Knaur |
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Buchform | kartoniert, eBook |
Erschienen | Juli 2024 |
Seiten | 304 |
Erhältlich bei | genialokal.de |
Endlich gibt es Neues von einer meiner Lieblingsautorinnen, Tanja Weber alias Marie Matisek. Wie der Name des Romans schon verrät, spielt die Geschichte in Italien, aber nicht nur: Los geht es in Wuppertal. Dorthin nämlich kehrt Selina zurück, nachdem sie Berlin und der dortigen Uni den Rücken gekehrt hat. Mit 28 Jahren ist sie an einem Punkt, wo sie so gar nicht weiß, welche Richtung sie ihrem künftigen Leben geben soll. Sie weiß nur eines: In Berlin will sie nicht bleiben. Also kehrt sie zurück in den Schoß ihrer Familie, die in Wuppertal die Eisdiele „Bella Italia“ betreibt. Die hat einst ihr Großvater Sergio gegründet: Sergio kam als sogenannter „Gastarbeiter“ in den 1950er-Jahren von Neapel nach Deutschland und ist hier sesshaft geworden, hat geheiratet und eine Familie gegründet: Sein Sohn Marcello ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und hat zu Italien ebenso wenig Verbindung wie seine Kinder Selina und Fabio. Und trotz ihrer italienischen Vornamen sprechen sie noch nicht einmal die Sprache.
Als Sergio eines Tages in der Eisdiele einen Herzinfarkt erleidet und stirbt, steht nicht nur die Familie unter Schock. Sergio war ein Unikat in Wuppertal, der erste, der den Einwohnern in der Nachkriegszeit einen Hauch von Italien und Dolce Vita beschert hat. Dabei hat er selbst sein einstiges Heimatland nie mehr wieder besucht und über seine Kindheit nur wenig erzählt. Angeblich sind seine Eltern bei einem Unfall gestorben und er selbst in einem Waisenhaus aufgewachsen.
Doch dann stößt Selina auf einige Ungereimtheiten in Sergios Biografie und macht sich kurzentschlossen auf den Weg nach Italien, um in Sergios Heimatdorf Pietra Alta eigene Nachforschungen anzustellen. Was sie dort findet, erschüttert sie zutiefst: ein Grab mit dem Namen ihres Großvaters, seinem Geburtsdatum – und dem Sterbejahr 1956.
Als Leser*in ist man Selina in ihren Nachforschungen ein Stück voraus, denn parallel zu ihrer Geschichte, die 2023 spielt, gibt es einen Handlungsstrang in den Jahren 1956 bis 1962, der aus der Sicht von Sergio und seiner großen Liebe Rosa erzählt wird. So erfährt man nach und nach die erschütternden Gründe, wie es dazu kam, dass Sergio 1956 in Pietra Alta begraben wurde, jedoch im gleichen Jahr nach Deutschland kam, dort eine Eisdiele eröffnete und erst 2023 im hohen Alter von 87 Jahren starb.
So entspinnt sich eine spannende Geschichte, die nicht nur an Sergios Beispiel vom Schicksal der sogenannten „Gastarbeiter“ erzählt, sondern auch von der Camorra, von der Landflucht, von verwaisten Dörfern, die später als „Museumsdörfer“ wieder auferstehen. Das alles ist so anschaulich und einfühlsam geschildert, dass ich das Buch regelrecht weggesuchtet habe – für die letzten 50 Seiten habe ich die Nacht durchgelesen, weil ich einfach nicht mehr aufhören konnte und unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte von Selina, Sergio, Rosa und all den anderen ausgeht.
Einen Ohrwurm gab’s beim Lesen noch gratis mit dazu, denn dem Buch vorangestellt ist ein Zitat aus dem Schlager „Komm ein bisschen mit nach Italien“ von Catarina Valente aus dem Jahr 1955, der ganz wunderbar zu der Geschichte passt und das Lebensgefühl der späten 1950er-Jahre widerspiegelt.
Ein sehr bewegender Roman, über den ich auch nach dem Lesen noch lange nachgedacht habe.
PS: Das Print-Buch erscheint offiziell am 1. Juli 2024, das eBook, das ich gelesen habe, ist bereits am 1. Juni erschienen.
[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]