Lost Places in Bayern

Erstellt am 31.10.24. Kategorie: Buchrezensionen
„Lost Places in Bayern“
von Agnes Hörter
Bewertung
★★★★★
Verlag Volk Verlag
Buchform gebunden
Erschienen September 2024
Seiten 208
Erhältlich beigenialokal.de

Irgendwie üben sogenannte „Lost Places“ eine gewisse schaurige Faszination auf mich aus: Verlassene Orte, die dem Verfall preisgegeben sind, an denen aber noch erkennbar ist, dass dort einmal reges Leben geherrscht hat. Unwillkürlich muss ich an die früheren Bewohner denken und daran, was sie wohl sagen würden, wenn sie ihr früheres Heim, ihre Arbeitsstätte, ihr Lebenswerk in solch heruntergekommenem Zustand sehen würden. Das stimmt mich immer etwas sentimental.

Die Autorin Agnes Hörter hat nun ein reich bebildertes Buch über „Lost Places in Bayern“ geschaffen. Vorgestellt werden darin insgesamt 24 sehr unterschiedliche Objekte. Da gibt es zum Beispiel mehrere Industriebauten: eine Papier-, eine Federball- und eine Kristallglasfabrik, eine Tischlerei, ein Heizkraftwerk, eine Porzellanmanufaktur, eine Glasschleiferei, eine Ziegelei und ein Kalksandsteinwerk und sogar eine ehemalige Sprengstofffabrik. Zwei ehemalige Thermenbäder, zwei Hotels, ein einstiger Freizeitpark und eine Brauerei werden gezeigt, ebenso einige alte Bauernhöfe und eine Scheune voller Autos.

Besonders spooky fand ich das Bunkerkrankenhaus und besonders berührend die alte Schutzengelkirche und das Fuggerschloss. Bei manchen dieser Gebäude sieht es so aus, als seien die Bewohner nur eben mal kurz weggegangen und kämen gleich wieder, wie etwa beim Wellnesshotel im Bayerischen Wald, komplett im Siebziger Jahre-Look, bei dem die Bücher noch aufgeschlagen auf dem Tisch in der Bibliothek liegen und die Federbetten im Gästezimmer scheinbar nur darauf warten, einmal kräftig aufgeschüttelt zu werden.

Auch bei der Königstherme nahe Augsburg sieht es auf den ersten Blick aus, als müsse nur mal eben frisches Wasser in die Becken eingelassen werden, damit dem Bade- und Rutschenparadies neues Leben eingehaucht werden kann. Dass es leider nicht so ist, offenbart der Begleittext: Chlorwasser, Wärme und Feuchtigkeit machten dem Gebäude so zu schaffen, dass es zum Sanierungsfall wurde und der Stadtrat letztlich den Teilabriss beschloss. Sehr eindrücklich schildert die Autorin ihre Gefühle bei ihrer Fototour durch das Gelände, wo sie selbst einst als Kind so gerne zum Baden hingegangen war.
Inzwischen ist ein Teil des Gebäudekomplexes abgerissen worden, ein anderer wird zum Veranstaltungszentrum umgebaut, so dass der Ort zu neuem Leben erweckt wird, was ja irgendwie tröstlich ist. Dass die alte Thermenlandschaft nicht in Vergessenheit gerät, dafür sorgen die zahlreichen Fotos der Autorin.

Apropos tröstlich: Viele der im Buch gezeigten Objekte erfahren inzwischen eine neue Nutzung, werden saniert oder umgebaut, so dass dort wieder Leben und Betriebsamkeit einziehen können. Andere hingegen sind mittlerweile abgerissen worden, die Geschichte dieser Gebäude ist damit unwiderruflich zu Ende. Zum Glück erinnern die Begleittexte der Autorin an die oft sehr wechselvolle Geschichte der Objekte, wie etwa beim Hotel Lederer in Bad Wiessee am Tegernsee: Einst als Kurheim erbaut, wurde es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Nobelhotel, zur ersten Adresse am Ort. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus spielte das Hotel eine wichtige Rolle. Später diente es als Lazarett und Erholungsheim, bevor es 1951 wieder an die Hoteliersfamilie zurückgegeben wurde. 2009 wurde der Hotelbetrieb eingestellt, der letzte Besitzer kämpfte bis zuletzt gegen den Abriss und wohnte bis 2018 noch ganz allein in dem großen leeren Gebäude.

Schicksale wie dieses stehen hinter vielen der im Buch gezeigten Objekte und der Autorin ist es gelungen, diese würde- und respektvoll zu erzählen und so die Erinnerung zu bewahren. Ein faszinierendes Buch, das beim Betrachten der vielen Bilder, darunter auch zahlreiche berührende Detailaufnahmen, oft einen leichten Schauer über meinen Rücken jagte und beim Lesen der Texte sehr sentimental stimmte – aber oft auch hoffnungsvoll, weil es bei vielen dieser Orte eben doch wieder irgendwie weitergeht.

Fazit: Ein tolles Buch für alle, die sich für Geschichte, Architektur, Fotografie und besondere Orte interessieren.

[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]