„Der Turm der blauen Pferde“ | |
von Bernhard Jaumann | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Galiani |
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Buchform | kartoniert, E-Book |
Erschienen | Februar 2019 |
Seiten | 336 |
Erhältlich bei | genialokal.de |
Schon lange interessiere ich mich für die Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“ und so musste ich mir im Oktober natürlich unbedingt den Kinofilm „Münter & Kandinsky“ anschauen. Meine Meinung zum Film ist ein wenig zwiegespalten, aber immerhin habe ich den Kinobesuch zum Anlass genommen, um hinterher endlich mal ein Buch zu lesen, das ich schon lange auf meiner Onleihe-Merkliste stehen hatte: „Der Turm der blauen Pferde“ von Bernhard Jaumann handelt von dem berühmten gleichnamigen Werk von Franz Marc, das dieser 1913 geschaffen hat. Von den Nazis wurde es später zur „entarteten Kunst“ erklärt, von Göring beschlagnahmt und gilt seit 1945 als verschollen. Viele Mythen ranken sich um den Verbleib dieses Gemäldes und genau daran knüpft dieser Kriminalroman an, der zwar in sich fiktiv ist, jedoch auf den historischen Fakten basiert.
München, 2017: Egon Schwarzer, ein steinreicher Industrieller und Kunstsammler, hat unter dubiosen Umständen das Angebot erhalten, eben dieses berühmte Gemälde für drei Millionen Euro zu kaufen – ein Schnäppchen, falls es tatsächlich das Original sein sollte, und so kann Schwarzer nicht widerstehen. Ein Sachverständiger bestätigt ihm die Echtheit des Bildes „zu 99 Prozent“, widerruft seine Expertise aber später wieder. Schwarzer beauftragt die Münchner Kunstdetektei von Schleewitz damit, den Weg des Gemäldes zu erforschen, von seinem Verschwinden 1945 über angebliche Sichtungen in Berlin kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu seinem Wiederauftauchen 2017.
Rupert von Schleewitz, Klara Ivanovic und Max Müller machen sich auch sogleich an die Arbeit und versuchen, dem ominösen Verkäufer des Bildes auf die Spur zu kommen. Ihr Weg führt zunächst zu einem tristen Dorfgasthof im Münchner Umland, wo die Bildübergabe stattgefunden hatte, und von dort aus weiter ins Berchtesgadener Land – dorthin, wo nach Kriegsende drei Bahnwaggons voller Beutekunst der Nazis in einem alten Bahntunnel gefunden worden waren. Zwar war „Der Turm der blauen Pferde“ damals nicht dabei gewesen, jedoch hatten die Einheimischen von den versteckten Waggons gewusst und diese geplündert, bevor die Alliierten die Kunstwerke sicherstellen konnten. Nicht alle Bilder wurden danach wieder gefunden.
Die drei Detektiv*innen gehen bei ihren Nachforschungen höchst unterschiedliche Wege und werden auch immer wieder abgelenkt: Max Müller durch seine Familie, die nach außen den schönen Schein wahrt, nach innen aber unter mehr als nur pubertären Launen der beiden Teenie-Töchter leidet, Klara Ivanovic durch ihren Vater, der sich als verkannter Aktionskünstler sieht, inzwischen aber durch Krankheit zur Untätigkeit verdammt und entsprechend unleidlich ist. Tja, und Rupert von Schleewitz verliebt sich in eine junge Frau, die er als Tochter des Wirts in jenem tristen Dorfgasthof kennenlernt – nur ist diese Tochter in Wahrheit schon etliche Monate zuvor verstorben. Wer also ist die junge Frau, die plötzlich spurlos verschwindet, tatsächlich?
Der Krimi wird abwechselnd aus den Perspektiven der drei Detektiv*innen erzählt, dazwischen eingestreut sind Rückblenden vom Mai 1945 bis zum Jahr 2012. Als Leserin war ich den Detektiv*innen also immer eine Spur voraus, was das Schicksal des Bildes angeht. Spannend war es trotzdem, zumal plötzlich nicht nur eine, sondern gleich mehrere Kopien des Bildes auftauchen und man bald nicht mehr weiß: Welches ist das Original? Oder sind gar alles Kopien? Wie perfekt kann man ein Gemälde, das vor über 100 Jahren entstanden ist, heute noch reproduzieren? Und was wusste Schwarzer tatsächlich über das Bild, das er gekauft hat?
Auf höchst unterhaltsame und spannende Weise habe ich beim Lesen einiges über das Schicksal des Originalgemäldes gelernt, über die Entstehung und Interpretation des Werks, über den Kunsthandel und seine oft verschlungenen Wege. Dies ist der erste Band einer Krimireihe rund um die Kunstdetektei von Schleewitz. Die weiteren Bände heißen „Caravaggios Schatten“ (erschienen 2021) und „Banksy und der blinde Fleck“ (erschienen 2023), bei beiden klingt der Klappentext so vielversprechend, dass ich die nun auch unbedingt noch lesen muss.
Und gerade habe ich außerdem noch „Der Schatten der blauen Pferde“ von Uwe Fleckner gelesen. Auch dieser fiktive Roman basiert auf den bekannten Fakten zum verschollenen Gemälde von Franz Marc, spinnt die Geschichte aber ganz anders weiter: Hier führt den Kunsthistoriker die Spur nach USA. Ganz anderer Schreibstil, aber ebenfalls sehr spannend zu lesen. Und man erfährt viel über die Zeit der Zensur von Kunst und Kultur zur Zeit des Nationalsozialismus.
Weitere empfehlenswerte Romane, insbesondere über die Frauen aus der Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“:
- „Die Frau des Blauen Reiter“ von Heidi Rehn, über Franz und Maria Marc
- „Die Malerin“ von Mary Basson, über Gabriele Münter und Wassily Kandinsky
- „Die Unausweichlichkeit von Liebe“ von Kea Beier, über August und Elisabeth Macke
In diesen Rezensionen finden sich zudem weitere links zu Büchern über den „Blauen Reiter“, aber auch zu Berichten über Ausflüge, die ich auf den Spuren der „Blauen Reiter“ nach Murnau, Kochel und Umgebung gemacht habe.
[Werbung, unbezahlt]