Der Gesang der Seeschwalben

Erstellt am 11.3.25. Kategorie: Buchrezensionen
„Der Gesang der Seeschwalben“
von Gabriella Engelmann
Bewertung
★★★★☆
Verlag Droemer Knaur
Buchform kartoniert, E-Book
Erschienen März 2025
Seiten 352
Erhältlich beigenialokal.de

Ich bin seit langem ein großer Fan der Bücher von Gabriella Engelmann, deshalb war ich schon sehr gespannt auf ihr neuestes Werk, mit dem sie neue Wege einschlägt: Bisher ist die Autorin nämlich vor allem bekannt für zeitgenössische Wohlfühlromane, doch mit „Die Bücherfrauen von List“ wagt sie sich an einen Zweiteiler, der auf zwei Zeitebenen spielt. Neben der Gegenwart ist dies die Zeit ab 1937 und damit ist bereits klar, dass diese Geschichte ein ernstes Grundthema hat.

Doch beginnen wir mit der Gegenwart. In dieser reist die Journalistin Anna nach Sylt, um dort Fenja Lorenzen zu treffen, eine alte Dame, die sich ganz besonders um die Buchwelt verdient gemacht hat. Anna hat Fenja bereits in einem Podcast portraitiert, doch diesem soll nun eine ganze Buchreihe über starke Bücherfrauen folgen, mit Fenja als Aufmacher. Doch als Anna im Listland an der Nordspitze Sylts bei Fenjas Haus ankommt, ist Fenja gar nicht da, obwohl sie mit Anna einen festen Termin vereinbart hatte. Fenja hat lediglich einen kurzen Brief hinterlassen und ist weder telefonisch noch per Mail erreichbar.

Stattdessen trifft Anna auf Fenjas Tochter Elisa, die ebenfalls ihre Mutter besuchen wollte. Als in der Nacht ein heftiger Sturm das alte Reetdach teilweise zerstört und den Dachboden unter Wasser setzt, müssen die beiden Frauen die dort gelagerten antiquarischen Bücher in Sicherheit bringen. Dabei machen sie eine rätselhafte Entdeckung und Annas Neugier, Fenjas Vergangenheit zu erforschen, wird immer stärker. Doch wie beginnen, wenn die Hauptperson nicht greifbar ist und einem gleichzeitig die Verlegerin im Nacken sitzt, die dringend auf den Text wartet?

Im Vergangenheitsstrang lernen wir Fenjas Mutter Lene kennen, die 1937 selbst noch ein junges Mädchen ist und mit ihren Eltern im Listland aufwächst. Sie verliebt sich in den Sommergast Marten Behlau, doch das Schicksal und der Nationalsozialismus meinen es nicht gut mit dem jungen Paar und so nimmt das Drama seinen Lauf.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich so richtig in die Geschichte hineingefunden habe. Auf den ruhigen, bedächtigen Erzählstil und die sehr ausführlichen Natur- und Landschaftsbeschreibungen musste ich mich erst einlassen, was mir im ersten Teil des Romans etwas schwer gefallen ist – was aber ganz sicher auch an mir lag, denn ich habe das Buch am Wochenende der Bundestagswahl begonnen und war daher nur schwer in der Lage, mich auf die Lektüre zu konzentrieren.

Ein wenig irritiert haben mich die Dialoge zwischen Lene und ihren Eltern, die ich in der Wortwahl und Sprache irgendwie zu „modern“ für 1937 fand. Und im Gegenwartsteil fand ich die Ausgangssituation etwas unglaubwürdig: Selbst wenn Fenja ihr Haus überstürzt verlassen musste, um aufs Festland zu fahren, ist es doch seltsam, das Haus dann unverschlossen zurückzulassen und lediglich einen Brief für Anna zu deponieren. Und gemessen an dem Umstand, dass Fenja überhaupt nicht erreichbar ist, scheinen mir Anna und Elisa doch nur wenig beunruhigt. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich vermutlich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Fenja ausfindig zu machen.

Im zweiten Teil nahm die Geschichte deutlich an Fahrt auf und ab da habe ich dann auch so richtig mitgefiebert, weil ich unbedingt wissen wollte, was mit Lene und Marten passiert ist und was noch so alles vorgefallen ist, das Folgen bis in die Gegenwart hat. Es war sehr spannend, Anna bei ihren Recherchen zu begleiten, und was sie dabei herausgefunden hat, war sehr bewegend und erschütternd zu lesen.

Am Ende des Buches ist die Geschichte noch lange nicht auserzählt. Zwar konnte Anna mit ihren Recherchen etwas Licht in Fenjas und Lenes Vergangenheit bringen, doch da ist auch noch das unklare Schicksal von Fenjas Schwester Martje und die komplizierte Liebesgeschichte zwischen Anna und Fenjas Sohn Eric. So bin ich nun doch schon sehr gespannt auf den zweiten Band.

Ganz nebenbei hat mir die Lektüre viele schöne Erinnerungen an meinen eigenen Sylt-Urlaub vor zehn Jahren (ist das wirklich schon wieder so lange her?) beschert. Auch mir hat es damals im Listland ganz besonders gut gefallen, deshalb hatte ich beim Lesen immer ein ganz konkretes Bild vor Augen. Viele Fotos von Sylt im Allgemeinen und dem Listland im Speziellen gibt es in meinem Reisebericht.

[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]