Little Germany – Der Duft der Neuen Welt

Erstellt am 15.4.25. Kategorie: Buchrezensionen
„Little Germany - Der Duft der Neuen Welt“
von Maria Nikolai
Bewertung
★★★★★
Verlag Penguin
Buchform kartoniert, E-Book
Erschienen April/Mai 2025
Seiten 656
Erhältlich beigenialokal.de

Von Maria Nikolai habe ich bisher alle Bücher verschlungen und so wartete ich schon sehr gespannt auf ihr neuestes Werk. Nach den beiden Trilogien rund um die Schokoladenvilla in Stuttgart und die Töchter vom Bodensee entführt die Autorin ihre Leser*innen in ihrer neuen Dilogie, deren erster Teil jetzt erschienen ist, ins New York des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Dorthin nämlich möchten unabhängig voneinander zwei sehr ungleiche Frauen auswandern: Lissi Volk ist ein etwas naives Dienstmädchen, das vom Sohn ihrer Dienstherren schwanger wird. Aus der erhofften Heirat wird nichts, stattdessen findet sich Lissi in einer Art zwielichtigem Frauenhaus wieder. Um sich und ihr ungeborenes Kind zu retten, sieht sie keinen anderen Ausweg, als Deutschland hinter sich zu lassen und auf einen Neubeginn in der Neuen Welt zu hoffen.

Julia von Varell wurde von ihrem Vater unter falschen Versprechungen in eine arrangierte Ehe gelockt. Doch auf dem Rittergut Eckerde bei Hannover ist sie unglücklich und fremdbestimmt. Ihr wird klar: Entweder sie verkümmert in ihrem goldenen Käfig oder sie wagt die Flucht in ein neues, anderes Leben, möglichst weit von Hannover entfernt.

So begegnen sich die beiden Frauen im November 1901 in Bremen, kurz bevor beide an Bord eines Auswandererschiffes des Norddeutschen Lloyd gehen. Julia nimmt sich der schwangeren Lissi an und zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine enge Freundschaft. Sie beschließen, auch in New York zusammenzubleiben, denn gemeinsam fällt der Schritt in die Fremde etwas leichter.

Sie ergattern eine Anstellung in einer Bäckerei in „Little Germany“, dem New Yorker Viertel, in dem sich vorrangig deutsche Auswanderer niedergelassen haben und dort weiterhin ihre Traditionen pflegen. Lissi hat ein altes Rezeptbuch ihrer Großmutter bei sich und perfektioniert ihre Backkünste, bis ihre „Swabian Pretzels“ weit über das deutsche Viertel hinaus Berühmtheit erlangen.

Doch die beiden Frauen müssen so manche existenzbedrohende Schwierigkeit meistern und nicht jeder, dem sie begegnen, ist ihnen wohlgesonnen. Auch Julias Ehemann begibt sich auf die Suche nach seiner abtrünnigen Frau. Und dann passiert ein schlimmes Unglück auf dem East River, das auch Lissis und Julias Leben für immer verändert …

Wie eingangs erwähnt, hatte ich hohe Erwartungen an diesen Roman und ich wurde nicht enttäuscht. Von der ersten Seite an war ich mitten im Geschehen und habe mit Julia und Lissi mitgefiebert. Dazu kommt: Im Prolog wird das Unglück auf dem East River bereits angedeutet und je weiter die Handlung voranschritt, umso mehr Angst hatte ich, ob Lissi, Julia und ihre Lieben dieses Unglück unbeschadet überstehen, so sehr waren sie mir bereits ans Herz gewachsen. So wurde meine Spannung immer mehr gesteigert.

Im Nachwort erläutert die Autorin die vielen real existierenden Personen dieser Zeit, die in die fiktive Geschichte eingebunden wurden, ebenso wie die historisch belegten Geschehnisse. Sie erklärt die Rolle der Frauen in Deutschland im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (ein Thema, das auch in der Schokoladenvilla schon eine große Rolle spielte), erzählt vom Fahrradfahren in New York, das zu dieser Zeit tatsächlich groß in Mode war, und von der Geschichte der Brezel, wie sie im Schwäbischen genannt wird (wir hier in Bayern sagen Brezn), bzw. der Pretzel in Amerika.

Sehr ausführlich erläutert sie das Thema Auswanderung und das deutsche Viertel in New York, wobei man sehr deutlich die akribische Recherche der Autorin erkennt. Unter anderem erwähnt sie das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, ein Museum, das sich ausführlich diesem Thema widmet. Auch ich war dort vor vielen Jahren schon zu Besuch und es ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben. Man schlüpft dort am Eingang gewissermaßen in die Rolle eines Auswanderers. Mein Sohn war z.B. Walt Disney und ich eine jüdische Ärztin, die vor den Nazis flüchtete. Im Museum durchläuft man die verschiedenen Stationen der Reise, sieht nachgebaute Schiffskabinen der verschiedenen Preisklassen und landet schließlich auf Ellis Island, der Manhattan vorgelagerten Insel, auf der sich endgültig entschied, ob man in die Vereinigten Staaten einreisen durfte oder zurückgeschickt wurde. Sogar in echten Passagierlisten kann man in diesem Museum stöbern, ich selbst habe dort den Eintrag einer Großtante meiner Mutter entdeckt.

Außerdem wurde ich durch den Roman sehr an unsere USA-Reise im Jahr 2013 erinnert, die uns natürlich auch nach New York geführt hat. Auch wenn sich zwischen 1901 und 2013 natürlich vieles in Manhattan verändert hat, hatte ich bei manchen der im Buch erwähnten Orte dennoch ein sehr konkretes Bild vor Augen (ach, was waren das 2013 noch für Zeiten! Der US-Präsident hieß Barack Obama und der Trump-Tower war einfach nur eine Sehenswürdigkeit …).

Alles in allem war dies mal wieder eine Lektüre, die ich regelrecht verschlungen habe. Tja, und nun warte ich sehnsüchtig auf die Fortsetzung, die laut Verlag am 1. Oktober 2025 unter dem Titel „Little Germany – Der Geschmack von Freiheit“ erscheinen soll.

Apropos: „Der Duft der Neuen Welt“ ist bereits am 1. April als E-Book erschienen. Fans der Printausgabe müssen sich noch bis zum 1. Mai gedulden.

[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]