„Wunderschöne Welt“ | |
von Andrea Grießmann | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | bene! |
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Buchform | gebunden, eBook |
Erschienen | August 2021 |
Seiten | 192 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Letztes Jahr im Dezember hatte ich das große Vergnügen, die Moderatorin Andrea Grießmann zu interviewen. Man kennt sie aus den TV-Sendungen „Wunderschön“ und „Planet Wissen“ und da sie seit einigen Jahren in meiner Nachbargemeinde wohnt, gab es einen lokalen Bezug für unsere Serie „Hausbesuch“ in der Ebersberger Zeitung. Wir haben uns sehr, sehr nett unterhalten, nur auf die Frage, wo sie sich zuhause fühlt, konnte sie mir keine klare Antwort geben. Ganz im Gegenteil: Die Antwort auf diese Frage ist bei Andrea Grießmann so komplex, dass sie dazu ein ganzes Buch geschrieben hat.
Die Autorin wurde in Berlin geboren, verbrachte ihre Kindheit in Barcelona, Buenos Aires und Erlangen. Berufs- und familiär bedingt ist sie in ihrem Leben 16-mal umgezogen und dreisprachig aufgewachsen: Neben Hochdeutsch und Spanisch spricht sie Schwäbisch. Schwäbisch, nicht fränkisch? Ganz genau, denn obwohl ihre Familie viele Jahre in Franken lebte, stammen ihre Eltern doch aus Schwaben und haben mit den drei Töchtern zuhause schwäbisch gesprochen. Auf die Frage, ob sie denn nun eine Fränkin oder eine Schwäbin sei, hatte ihr Vater übrigens eine sehr pragmatische Antwort parat: (Zitat) „Wenn eine Sau in einem Pferdestall auf die Welt kommt, ist es dann eine Sau oder ein Pferd?“ Die Autorin selbst bezeichnet sich hingegen eher als eine Wanderin zwischen den Welten.
Als Moderatorin einer Reisesendung ist Andrea Grießmann natürlich viel unterwegs. Die Sehnsucht nach der Ferne und der Nähe, das Fernweh und das Heimweh gehören deshalb für sie zum Alltag. In ihrem Buch erzählt die Autorin viele Anekdoten von den Dreharbeiten, z.B. von einer Reise nach London, bei der das Aussteigen aus dem Flieger genau so lange gedauert hat wie der Flug selbst, nämlich eineinhalb Stunden. Sie berichtet von einer witzigen Beobachtung in einer Mittagspause in Mexico City, von einem berührenden Erlebnis in einer edlen Boutique in Rom, von einem abenteuerlichen Roadtrip durch Kuba und von Kamelschokolade, die sie in Dubai gekostet hat. Sie entführt ihre Leser*innen in die Souks von Marrakesch, wo es so herrlich nach Gewürzen aller Art duftet, und lädt ein zu einer Fahrt im Heißluftballon über das Atlasgebirge.
Daneben erzählt sie auch von Widrigkeiten, wie etwa von endlosem Regen bei Dreharbeiten, vom Frieren an vermeintlich warmen südlichen Urlaubszielen (denn gedreht wird meist in der Nebensaison) und von einem Eseltrekking in der Steiermark, bei dem der Esel ganz andere Pläne hatte als sie. In Namibia erlebte sie einen ihrer „wildesten Küsse ever“ (Zitat), in einem Hotel bekam sie nachts heimlichen Besuch und auch vor dem Verkosten von rohen Termiten scheute sie nicht zurück.
Klar, dass Dreharbeiten oft sehr stressig sind. Kleine Fluchten findet Andrea Grießmann beim Besuch von Kirchen. Überhaupt ist ihr Glaube (sie engagiert sich auch bei uns in der evangelischen Kirchengemeinde) für sie ein Stück Heimat. Mit dem Thema Heimat setzt sie sich in ihrem Buch sehr intensiv auseinander. Während in anderen Sprachen das Wort „patria“ sowohl für Heimat als auch für Vaterland steht, gibt es im Deutschen dafür zwei Begriffe. Andrea Grießmann definiert das für sich so: Vaterland ist das Land, in dem man geboren wurde, Heimat hingegen ist da, wo die Menschen sind, die man liebt. Im Laufe der Zeit hat die Autorin an sich auch „typisch deutsche“ Eigenschaften festgestellt, sie liebt es z.B., wenn alles nach Plan verläuft und hat schon als Teenager in Argentinien mit der chronischen Unzuverlässigkeit der dortigen Schulbusse gehadert.
Heimat ist ihrer Erkenntnis zufolge auch etwas, was man hören, riechen, schmecken oder fühlen kann. Da gibt es die vertraut klingenden Dialekte, einen Geruch, der einen sofort in seine Kindheit zurückversetzt, ein Essen, das es früher bei der Großmutter gab, oder die von der Oma selbstgestrickten Socken, die einem sofort ein Gefühl von Zuhause vermitteln. Zuhause ist für Andrea Grießmann aber auch ein Haustier: Schon als Kind war eine Katze ihr ständiger Begleiter und auch heute ist die Familie Grießmann ohne Mitbewohner auf Samtpfoten kaum vorstellbar: Bei unserem Interview 2020 durfte ich Kater Tommi kennenlernen, mittlerweile hat Kater Freddy in der Familie Einzug gehalten.
Auf amüsante, oft auch selbstironische oder nachdenkliche Weise stellt die Autorin ihre Betrachtungen zum Thema Heimat an und erzählt von ihren Erlebnissen in der großen weiten Welt. Ähnlich wie im Buch „Mit kleinem Gepäck“ ihrer Moderatoren-Kollegin Tamina Kallert gibt es dabei keinen roten Faden, der sich durch das Buch zieht, sondern es fühlt sich vielmehr so an, als säße man sich bei einer Unterhaltung gegenüber und erzählt wird, was einem gerade so einfällt. Garniert werden die Erzählungen mit einigen Fotos – leider aber nur in Schwarzweiß, hier hätte ich mir Farbfotos gewünscht und es hätten auch ruhig noch ein paar Bilder mehr sein dürfen, finde ich. Drei Bilder wurden mir von Verlag und Autorin aber für meinen Blog zur Verfügung gestellt, die ich Euch hier sehr gerne zeige (Copyright: Andrea Grießmann privat):
Summa summarum eine sehr unterhaltsame Lektüre, die die beiden Themen Reisen und Heimatliebe auf wunderbare Weise vereint, oft zum Nachdenken anregt und genauso oft auch zum Schmunzeln einlädt. Klare Leseempfehlung und mit Sicherheit auch ein schöner Geschenktipp!
Kleiner Nachtrag:
Für den Münchner Merkur durfte ich Andrea Grießmann erneut interviewen. Dieses Interview ist am 25. August 2021 erschienen: