„Triebwasser“ | |
von Sandra Altmann | |
Bewertung
★★★☆☆
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Verlag | Volk Verlag |
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Buchform | gebunden |
Erschienen | Oktober 2024 |
Seiten | 176 |
Erhältlich bei | genialokal.de |
Auf dieses Buch wurde ich durch eine Pressemitteilung des Verlages aufmerksam, die jedoch leider falsche Erwartungen bei mir weckte. Da hieß es nämlich „(…) erzählt Sandra Altmann von der Entstehungszeit des Walchenseekraftwerks, eines Wunderwerks der Technik, und von einer kleinen Dorfgemeinschaft, die der Streit um den Einzug der Moderne in den Untergang treibt.“ (Zitat)
Ich nahm also an, dass es in diesem Roman vorrangig um die Entstehung des oberbayerischen Walchenseekraftwerks geht. Jenes Kraftwerk, das 2024 sein 100-jähriges Bestehen feierte, funktioniert dadurch, dass Wasser vom Walchensee durch Röhren in den gut 200 m tiefer liegenden Kochelsee befördert wird und dabei Turbinen antreibt, die Strom produzieren. Das Kraftwerk wurde seinerzeit als Wunderwerk der Technik gefeiert und ist seit 1983 ein geschütztes Industriedenkmal.
Vor knapp zwei Jahren hatte ich eine Trilogie von Lena Johannson gelesen, die sich mit dem Bau des Nord-Ostsee-Kanals beschäftigt. Die Protagonistinnen jener Romane haben allesamt auf unterschiedliche Weise direkt mit dem Kanal zu tun, wodurch die Entstehung desselben immer im Mittelpunkt des Geschehens steht. Etwas in dieser Art hatte ich auch im Roman „Triebwasser“ erwartet. Hier jedoch dient der Bau des Kraftwerks nur als Setting im Hintergrund.
Im Vordergrund steht das fiktive Desselgrub am Nordostufer des Walchensees, der damals (der Roman spielt in den Jahren 1918 bis 1920) noch Wallersee hieß. Dort leben ein paar wenige Familien in bescheidenen Verhältnissen. Der Krieg ist gerade zu Ende gegangen und hat seine Spuren hinterlassen. Dem Bau des neuen Kraftwerks stehen die Dorfbewohner zwiegespalten gegenüber: Die Fischer befürchten, dass durch den sinkenden Pegel des Wallersees die Fischbestände leiden könnten, andere machen dank der Bauarbeiten gute Geschäfte mit ihrem Holzhandel oder Fuhrunternehmen. Doch das Misstrauen gegenüber der neuen Technik überwiegt: „ob meine Alte ihre Pfanne auf einen Holzofen oder einen Stromofen stellt, Hauptsache es schmeckt!“ (Zitat) muss sich der Lehrer anhören, als er die Stammtischbrüder von den Vorzügen des elektrischen Stroms überzeugen will.
Die Geschichte wird vorwiegend neutral in der 3. Person erzählt. In jedem Kapitel kommt aber eine*r der Dorfbewohner*innen zu Wort, von der Großmutter bis hin zu den Kindern. Die meisten dieser Personen waren mir nicht sonderlich sympathisch, eine Beziehung konnte ich zu keinem von ihnen so richtig aufbauen, folglich gab es auch niemandem, mit dem ich hätte mitfiebern können. Die Geschichte plätschert so dahin, es ist mehr eine Beschreibung des Alltagslebens als eine Geschichte mit Spannungsbogen. Erzählt wird von den Sorgen und Sehnsüchten der Erwachsenen, den Träumen und Ängsten der Kinder, es geht um unerfüllte Liebe, um Freundschaft … – tja, bis dann das überraschende Ende mit einem Paukenschlag daherkommt.
Allerdings würde ich nicht sagen, dass dieses dramatische Ende, wie in der Pressemitteilung geschrieben, eine Folge aus dem Streit der Dorfbewohner um den Einzug der Moderne ist, denn eigentlich hat das Unglück, welches das Dorf heimsucht, mit dem Walchenseekraftwerk nur sehr bedingt zu tun. Ein sehr erschütterndes Ende ist es aber allemal und auch der Grund dafür, warum die Lektüre bei mir trotz der fehlenden Spannung zuvor doch noch längere Zeit nachgehallt hat.
Interessant (und bedrückend) fand ich, dass sich in vielerlei Hinsicht seit damals nichts geändert hat: So wie damals die Dorfbewohner dem Kraftwerk, dem elektrischen Strom und generell dem Einzug der Moderne ablehnend gegenüber standen, so erleben wir auch heute, dass viele Menschen die moderne Technik verteufeln und alles, was neu und ungewohnt ist, quasi prinzipiell erstmal ablehnen. Sehr gut beobachten kann man das z.B. beim Thema Windkraft.
Vor zweieinhalb Jahren haben mein Mann und ich das Walchenseekraftwerk auf einem Ausflug besucht. Hier ein paar Fotos davon: Zunächst waren wir am Walchensee, wo vor einigen Jahren Szenen des Films „Wickie und die starken Männer“ von Michael „Bully“ Herbig gedreht wurden. Tatsächlich kann man sich an diesem See fühlen wie an einem norwegischen Fjord. Von dort ging es weiter zum Kochelsee, wo man eine kleine Ausstellung zum Walchenseekraftwerk besuchen kann. Man kann außerdem einen Blick in die Turbinenhalle werfen und beim Besuch des Cafés sitzt man in nächster Nähe der gewaltigen Röhren, die das Wasser vom Walchen- zum Kochelsee hinunterbefördern. Das dröhnt ganz schön in den Ohren 😉
Weitere Fotos, auch aus der Entstehungsgeschichte des Kraftwerks, gibt es hier und hier.
[Als Werbung gekennzeichnet, da Rezensionsexemplar erhalten]