„Spiel der Hoffnung“ | |
von Heidi Rehn | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Droemer Knaur |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | September 2016 |
Seiten | 512 als Taschenbuch |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
München, Herbst 1926: Nach dem Tod ihrer Eltern reist die junge Ella von Berlin nach München. Im Gepäck hat sie die Anschrift des ihr unbekannten Professors Lutz, den sie vom Ableben ihrer Mutter informieren soll. Ella, die sonst keinerlei Verwandtschaft mehr hat, ist neugierig, in welchem Verhältnis dieser Professor zu ihrer Mutter stand. Kaum zu ihm vorgelassen, trifft sie dort auch Jobst von Kirchenreuth, den Sohn einer angesehenen Unternehmerfamilie, dem der Professor sie als seine Nichte vorstellt. Ella kommt gar nicht dazu, dies zu hinterfragen, denn sie verliebt sich auf der Stelle in Jobst und vergisst darüber alles andere. Jobst erwidert ihre Gefühle und so heiraten die beiden nur wenige Monate später. Ihre Hochzeit wird nur getrübt durch den Tod des Professors, der Ellas viele Fragen nicht mehr beantworten konnte. Ist sie wirklich seine Nichte? Und welche Bedeutung haben die Unterlagen in der geheimnisvollen Mappe, die der Professor Ella vor seinem Tod noch gegeben hat und die angeblich ihre Zukunft sichern?
All diese Fragen treten jedoch in den Hintergrund, als Ella ihr junges Liebesglück genießt und mit ihrem Mann in die mondäne Welt zwischen München, Paris und Monte Carlo eintaucht. Doch ihre heile Welt bekommt bald Risse: Zum einen kann Ella ihre Augen nicht mehr vor Jobsts Kokainsucht verschließen. Und was sind das für geheimnisvolle Geschäftstermine, zu denen Jobst immer wieder verschwindet? Sympathisiert er womöglich wie sein Bruder Falk mit den Nationalsozialisten und macht mit ihnen Geschäfte? Auch Ellas missgünstige Schwägerin Viktoria intrigiert: Sie hält Ella für eine Hochstaplerin und beauftragt einen Privatdetektiv, Ellas Vergangenheit zu erforschen. Der entdeckt rasch Ellas jüdische Wurzeln. Viktoria, die selbst zutiefst unglücklich in ihrem goldenen Käfig ist, präsentiert ihrer Familie genüsslich die Arbeit des Privatdetektivs. Es kommt zu einem schweren Zerwürfnis und Ella flüchtet tief verletzt nach Berlin. Nur mithilfe guter Freunde gelingt es ihr dann doch noch, die Rätsel ihrer Vergangenheit zu lösen.
Neben einer packenden Familiengeschichte zeichnet der Roman ein beklemmendes Stimmungsbild der späten 1920er Jahre: Die Münchner genießen den Aufschwung nach dem blutigen Ende der Räterepublik, den Straßenkämpfen und der Inflation. Endlich scheint es wieder aufwärts zu gehen. Doch es ist ein Tanz am Rande des Abgrunds, denn schon erstarken nationalkonservative Kräfte, Hitler ist ein gern gesehener (und vollkommen unterschätzter) Gast in der Münchner Gesellschaft und die Deutschnationalen erfahren finanzkräftige Unterstützung durch einflussreiche Unternehmer…
„Spiel der Hoffnung“ ist nach „Tanz des Vergessens“ der zweite Roman von Heidi Rehn, der im München der 1920er Jahre spielt. Mir persönlich gefällt er sogar noch etwas besser als sein Vorgänger, denn die Geschichte ist so spannend erzählt, dass ich das Buch kaum weglegen konnte. Zudem gibt es in „Spiel der Hoffnung“ am Rande ein Wiedersehen mit Figuren aus „Tanz des Vergessens“, beide Geschichten sind aber vollkommen unabhängig voneinander, man muss also nicht erst den einen Roman lesen, um den anderen zu verstehen.
Die Autorin, die u.a. als Dozentin an der Ludwig-Maximilian-Universität gearbeitet hat, bietet geführte Stadtrundgänge auf den Spuren ihrer Romane an, dabei werden einige historisch bedeutsame Stätten in München besucht. Nähere Infos dazu gibt es auf ihrer Homepage. Im Juni diesen Jahres, nach der Lektüre von „Tanz des Vergessens“, habe ich selbst einen dieser Streifzüge mitgemacht. Ein paar Impressionen davon gibt es hier.
Am 6. Oktober ist eine verkürzte Version meiner Rezension in der Ebersberger Zeitung (Münchner Merkur) erschienen: