„Die Holunderschwestern“ | |
von Teresa Simon | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Heyne |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Juni 2016 |
Seiten | 512 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Mit diesem Buch hatte ich gleich doppelt Glück: Zum einen, weil ich es bei einer Verlosung gewonnen habe, inklusive Widmung der Autorin. Zum anderen, weil sich dieses Buch dann auch noch als super-spannende, unterhaltsame Lektüre entpuppte. Es handelt sich um eine Geschichte auf zwei Zeitebenen rund um ein dunkles Familiengeheimnis.
München, 2015: Die Restauratorin Katharina bekommt unverhofft Besuch von einem Engländer, der sich ihr als Alex Bluebird vorstellt und ihr die Tagebücher ihrer verstorbenen Urgroßmutter Fanny überreicht. Die hatte er im Nachlass seiner eigenen Großmutter gefunden. Fortan taucht Katharina ein in die Lebensgeschichte von Fanny, die 1918 als junges Mädchen ihre Heimatstadt Weiden in der Oberpfalz verlassen hatte, um in München zu arbeiten. Ihre Zwillingsschwester Fritzi hatte sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge daheim zurückgelassen, denn die enge Bindung der beiden Schwestern war für Fanny Fluch und Segen zugleich.
Noch im Zug nach München machte Fanny die Bekanntschaft von Alina Rosengart und zwischen den beiden jungen Frauen entwickelte sich eine Freundschaft, die viele Jahre andauerte und schwere Zeiten überstehen musste. Denn in München kam es kurz nach Ende des ersten Weltkriegs zu blutigen Auseinandersetzungen, zur Niederschlagung der Räterepublik und zu offenen Straßenkämpfen. Fanny arbeitete als Köchin bei der wohlhabenden Familie Rosengart, bis sie später ein eigenes Lokal übernehmen konnte. Und dann stand plötzlich Fritzi vor ihrer Tür und es kam zu dramatischen Ereignissen, die Katharina nur nach und nach durchschaut. Wie kamen Fannys Tagebücher nach England in den Besitz von Alex‘ Großmutter? Und was passierte mit der jüdischen Alina, als in München die Nationalsozialisten erstarkten? Katharinas eigene Mutter, zu der das Verhältnis ohnehin schwierig ist, hüllt sich in Schweigen über das, was in ihrer Familie passiert ist. Am Ende kommt die Auflösung von gänzlich unerwarteter Seite.
Mir ging es mit diesem Roman so wie Katharina mit den Tagebüchern ihrer Urgroßmutter. Zitat: „Katharina würde es nur erfahren, wenn sie weiterlas, doch das alles war für sie derart aufregend, dass sie zwischendrin immer wieder Pausen brauchte, um zu verarbeiten. Gleichzeitig drängte sie es, möglichst rasch voranzukommen – ein Dilemma, für das sie noch keine Lösung gefunden hatte.“ Ich schon: weiterlesen! Wenn’s sein muss, die ganze Nacht hindurch! Zu spannend war die Geschichte, als dass ich das Buch hätte weglegen können.
Häufig musste ich bei der Lektüre auch an die Romane „Tanz des Vergessens“ und „Spiel der Hoffnung“ von Heidi Rehn denken, die ebenfalls in München in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen spielen. Somit rundete der Roman „Die Holunderschwestern“ das Bild, das ich von dieser Zeit gewonnen hatte, perfekt ab. Die Lektüre ist perfekt für alle, die es wie ich schätzen, wahre historische Begebenheiten in einer spannenden Geschichte verpackt nachzulesen. Es ist, laut Nachwort der Autorin, zudem „ein Roman für Mütter und Töchter, für Großmütter und Enkelinnen, für Tanten und Nichten. Es ist aber auch ein Roman für Freundinnen, die sich ehrlich und einander liebevoll zugewandt auf dem Lebensweg begleiten.“
Einen wirklich nur winzig kleinen Kritikpunkt habe ich: Im Buch kommt mehrmals der Begriff „Brezeln“ vor und der ist mir doch ziemlich aufgestoßen, denn in München sagt das kein Mensch, hier heißt das „Brezn“. Offenbar hatte der Verlag die Befürchtung, der Roman könne zu sehr ins „Regionale“ abdriften. Ich persönlich finde, der Ausdruck „Brezn“ hätte einfach authentischer gewirkt, aber sei’s drum, der Spannung der Geschichte tut das keinen Abbruch.
Nettes Extra: Im Anhang des Buches finden sich viele von Fannys Lieblingsrezepten zum Nachkochen wieder. Hier handelt es sich nun tatsächlich ausnahmslos um typisch bayerische Gerichte wie Dampfnudeln, Auszogene, Schweinsbraten, Böfflamott oder Leberknödelsuppe. Witzig: Das Rezept für Bayerisch Creme verwende ich genau so schon seit Jahren, das ist nämlich in unserer Familie traditionell der Nachtisch an Heiligabend.
Summa summarum: Eine ganz klare Kaufempfehlung, spannende Lesestunden sind garantiert!