„Das Haus der schönen Dinge“ | |
von Heidi Rehn | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Droemer Knaur |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Mai 2017 |
Seiten | 656 als Taschenbuch |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Dieses Buch hat mich zutiefst bewegt, beeindruckt und ich habe noch lange Zeit darüber nachgedacht. Auch durch die Münchner Innenstadt gehe ich nun mit ganz anderen Augen. Warum, das erfahrt Ihr hier:
Der Roman erzählt die Geschichte der fiktiven jüdischen Kaufmannsfamilie Hirschvogl über mehrere Generationen. Im Jahr 1897 machen Jacob und Thea Hirschvogl endlich ihren lang gehegten Traum wahr und eröffnen ihr Kaufhaus am Münchner Rindermarkt. Ein Kaufhaus, das es so in München noch nicht gegeben hat: mit feinsten Waren aus verschiedensten Bereichen, Damenmode mit Pariser Chic, maßgeschneiderter Herrenbekleidung aus englischem Tuch, feinster Wäsche aus kostbarer Seide, edlen Stoffen, Galanteriewaren, dazu Kaffees, Tees, Pralinen und vieles andere mehr. Es soll ein Kaufhaus werden, von dem die ganze Stadt spricht und in das jeder gerne kommt, um zu schauen, zu staunen und zu kaufen.
Als Jacob zum königlich-bayerischen Hoflieferanten ernannt wird, glaubt er sich am Ziel seiner Träume. Schließlich sagt er nicht umsonst von sich: „Zuerst bin ich Münchner, dann Bayer, dann erst Jude.“ Für seine Freunde und Kunden spielt seine Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben zunächst keine Rolle. Doch die Zeiten ändern sich. Aber das „Hirschvogl“ übersteht den ersten Weltkrieg, die Münchner Räterepublik, die Revolten und Straßenschlachten – auch dank des Zusammenhalts der Familie. Jacob und Thea haben drei Kinder, die Söhne Benno und Joseph und die Tochter Lilith (Lily). Doch je älter die Kinder werden, umso mehr entwickeln sie ihre eigenen Pläne und Ideen, teils sehr zum Missfallen ihrer Eltern. Nur Lily brennt ebenso für das Kaufhaus wie Jacob und Thea. Ihre Freude ist groß, als sie es schließlich offiziell übernehmen darf. Zu diesem Zeitpunkt ist sie selbst längst verheiratet und hat zwei Kinder. Doch ihr Mann entpuppt sich als Tunichtgut, der sie nicht nur mit anderen Frauen betrügt, sondern auch dem Kaufhaus großen Schaden zufügt. So muss Lily mehr als einmal kämpfen, um den „Hirschvogl“ zu retten.
Doch dann kommen die Nationalsozialisten an die Macht und die jüdische Familie muss um weit mehr fürchten als um ihr Kaufhaus. Ihr eigenes Leben und das ihrer Liebsten steht auf dem Spiel. Nun zeigt sich, wer die wahren Freunde der Hirschvogls sind.
Ich habe diesen Roman förmlich verschlungen, von der ersten bis zur letzten Seite mit den Hirschvogls mitgefiebert und dabei auch so manche Träne vergossen. Dabei habe ich aber auch viel gelernt, denn in diesem Roman verwebt Heidi Rehn das fiktive Schicksal der Familie Hirschvogl mit realen Personen dieser Zeit. Nie zuvor hatte ich mir Gedanken über die Geschichte der Münchner Kaufhäuser gemacht. Wenn ich in die Stadt zum Einkaufen komme, dann habe ich meine Rennstrecke und meinen Einkaufszettel. Klar, die Fassaden von Oberpollinger oder Hirmer habe ich schon so manches Mal bewundert (nicht nur zur Weihnachtszeit), aber ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass diese Kaufhäuser früher einmal in jüdischem Besitz waren, ebenso wie Hertie (gegründet von Hermann Tietz und im Zuge der Arisierung umbenannt). In „Das Haus der schönen Dinge“ habe ich nun viel über diese Zeit und die Schicksale dieser Kaufmannsfamilien erfahren.
Wie immer in den Romanen von Heidi Rehn war ich beeindruckt von der akribischen Recherche der Autorin. Im Buchanhang findet sich ein mehrseitiges Glossar, in dem Begriffe erklärt werden, die im Buch vorkommen und typisch für die damalige Zeit sind, wie z.B. Coupé, Dachjuchhe, Ladnerin, Posamenten oder Rayons. Auch in die Textilbranche hat Heidi Rehn sich gründlich eingearbeitet, was man zum Beispiel an der Nennung und Beschreibung verschiedenster Stoffe und Kleidungsstücke merkt. Natürlich sind im Glossar auch zahlreiche historische Persönlichkeiten verzeichnet, vom „Kini“ bis hin zu Kaufleuten und den führenden Personen des Nationalsozialismus.
Alles in allem hat mich dieses Buch wirklich restlos begeistert. Ich möchte fast sagen, es ist der beste Roman, den ich bislang von Heidi Rehn gelesen habe (und die anderen waren schon toll!) und wohl auch das Buch, das mich in diesem Jahr bisher am meisten bewegt hat. Deshalb gibt es dafür von mir fünf dicke fette Sterne!
Übrigens: Heidi Rehn teilt ihre Leidenschaft für die (Münchner) Geschichte auch mit interessierten ZuhörerInnen auf ihren Streifzügen durch München, die zu den Schauplätzen ihrer Romane führen. Ich habe bereits nach der Lektüre von „Tanz des Vergessens“ solch eine Führung mitgemacht und war begeistert. Bei den aktuellen Streifzügen dreht sich natürlich alles um die Münchner Kaufhäuser. Nähere Infos zu Terminen, Kosten, Anmeldung usw. gibt es auf der Homepage der Autorin. Ich habe mich bereits angemeldet, vielleicht sehen wir uns ja dort?
Und noch ein Tipp für alle diejenigen, die gerne eBooks lesen: Im Buchhandel (u.a. bei den beiden von mir oben genannten Geschäften) gibt es ein Prequel zu „Das Haus der schönen Dinge“ zum kostenlosen Download. Es lohnt sich!
Nachtrag: Am 16. Mai ist zudem meine Rezension des Buches in der Ebersberger Zeitung erschienen: