„Der Himmel über unseren Träumen“ | |
von Heidi Rehn | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Droemer Knaur |
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Buchform | eBook, Taschenbuch |
Erschienen | Februar 2018 (eBook), April 2018 (Taschenbuch) |
Seiten | 464 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Die 1950er Jahre kenne ich vor allem aus diversen TV-Schmonzetten, bisher habe ich noch nie ein Buch gelesen, das in dieser Zeit spielt. Umso interessanter fand ich Heidi Rehns neuestes Werk, das mich so vollkommen in diese Zeit eintauchen ließ, bis ich Nierentische, Tütenlampen und TV-Kochsendungen mit Clemens Wilmenrod (Erfinder des Toast Hawaii) bildlich vor mir sah.
Von Heidi Rehn habe ich ja schon einige Bücher gelesen, die mich allesamt begeistern konnten. Umso neugieriger war ich auf diesen Roman, in dem es zudem ein Wiedersehen mit einigen Figuren aus „Spiel der Hoffnung“ gibt, auch das wunderbare Kaufhaus Hirschvogl aus „Das Haus der schönen Dinge“ wird mehrmals erwähnt. Es macht aber nichts, wenn man diese beiden Bücher nicht kennt, es sind keinerlei Vorkenntnisse nötig und „Der Himmel über unseren Träumen“ ist eine gänzlich davon unabhängige Geschichte.
Vera Cohn ist die Tochter von Oscar und Rike, welche wiederum die beste Freundin von Ella, Hauptfigur in „Spiel der Hoffnung“, war. Als Vera acht Jahre alt ist, müssen sie und ihre Eltern aus Deutschland fliehen. Denn es ist das Jahr 1938 und Oscar ist Jude. Nach dem Krieg kehrt die Familie aus dem Exil zurück, Vera studiert Architektur und tritt 1954 eine Stelle in ihrer Heimatstadt München an, nach der sie sich all die Jahre gesehnt hat. Sie freut sich darauf, aktiv den Wiederaufbau mitzugestalten.
Doch als Frau hat sie es schwer in diesem von Männern dominierten Beruf und ihre Ideen werden häufig nicht ernst genommen, so praktisch sie auch sein mögen. Denn in den 50er Jahren hat die Frau für Heim und Familie da zu sein, was nach den schweren Kriegsjahren für viele sicher das Richtige ist, Vera jedoch möchte Karriere machen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine wirkliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen nicht überall erfolgt, erst recht nicht in der einstigen „Hauptstadt der Bewegung“, und viele ehemalige Parteigänger sitzen auch nun wieder in wichtigen Ämtern. Vera fragt sich bei jedem Entscheidungsträger, mit dem sie zu tun hat, welche Rolle er in der Nazizeit gespielt hat und ob er indirekt mit schuld ist an dem Leid, das sie und ihre Familie ertragen mussten. Ansprechen darf man solche Zweifel aber nicht: Die Vergangenheit ist ein Thema, das besser unerwähnt bleibt, alle Blicke sind in die Zukunft gerichtet.
Dann verliebt sich Vera in ihren Kollegen Arthur, ganz langsam nähern sie sich einander an, denn beide haben noch mit den Wunden ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Allerdings spricht Arthur nicht über das, was er zwischen Abitur und Kriegsende erlebt hat, was in Vera zunehmend Misstrauen schürt. Dazu kommt, dass beide beruflich immer mehr zu Konkurrenten werden und dass auch Veras Freundin Charlotte ein Auge auf Arthur geworfen hat. Droht die junge Liebe an all diesen Hindernissen zu scheitern?
Heidi Rehn ist es gelungen, in mir beim Lesen sofort ein Bild der 50er Jahre entstehen zu lassen. Besonders interessant fand ich als Münchnerin natürlich die Schilderungen zu den Bauprojekten der damaligen Zeit. Einige der Gebäude, die in den 1950ern entstanden sind, stehen noch heute, insofern freue ich bereits jetzt wieder auf die Streifzüge, die die Autorin auf den Spuren ihrer Romane anbietet. So akribisch, wie Heidi Rehn stets recherchiert, bin ich ganz sicher, dabei auch wieder viel Neues zu erfahren. Generell sehe ich die 50er Jahre nun in einem anderen Licht, denn es war eben nicht (nur) diese Heile-Welt-Idylle, die einem von den eingangs erwähnten TV-Filmen suggeriert wurde, sondern auch eine Zeit des Verdrängens, Vertuschens und natürlich in allererster Linie eine Zeit des Aufbruchs, des Wiederaufbaus und des Neuanfangs.
Alles in allem fand ich diesen Roman unglaublich eindrucksvoll, ich musste oft und lange über das Gelesene nachdenken und kann die Lektüre aus vollstem Herzen empfehlen.