Die Charité – Aufbruch und Entscheidung

Erstellt am 26.10.19. Kategorie: Buchrezensionen
„Die Charité - Aufbruch und Entscheidung“
von Ulrike Schweikert
Bewertung
★★★★★
Verlag Rowohlt
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen September 2019
Seiten 544
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Heute gibt es hier einmal etwas Besonderes, nämlich eine Gastrezension meiner Freundin Alexandra. Alexandra ist leidenschaftliche Leserin von historischen Romanen und hat – im Gegensatz zu mir – auch schon den ersten Teil der Romanserie „Die Charité“ von Ulrike Schweikert gelesen. Erfahrt hier, wie ihr der zweite Band gefallen hat:

Berlin im Jahre 1903: Die ehrgeizige und aus gutem Hause kommende Jüdin Dr. Rahel Hirsch bekommt als medizinische Pionierin an der berühmten Berliner Charité eine unbezahlte Volontärstelle und muss sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten. Nur ihr Vorgesetzter Dr. Friedrich Kraus und der junge Arzt Dr. Theodor Brugsch behandeln die Ärztin respektvoll und suchen sogar die Zusammenarbeit mit ihr. Nach einem antisemitischen Überfall lernt Rahel die junge Wäscherin Barbara Schubert kennen, die mit ihrer Tante Magdalena und deren Sohn Franz in ärmlichen Verhältnissen lebt. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich an und Rahel übernimmt die medizinische Versorgung von Barbaras Tante, die durch eine Vergewaltigung mit Syphilis infiziert wurde. Während es Rahel mehr und mehr gelingt, sich in der männerdominierten Welt der Mediziner durchzusetzen und sich außerdem in den jungen Piloten Michael Frankl verliebt, kämpft Barbara für die Rechte der Frauen und tritt in die SPD ein. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, sehen sich beide Frauen mit extremen Herausforderungen und tragischen Schicksalsschlägen konfrontiert, die ihrer beiden Leben nachhaltig verändern.

Dieser zweite Band zur Geschichte der Charité liest sich weniger wie ein klassischer Roman denn wie ein Geschichtsbuch, das durch die Erlebnisse zweier starker Frauen die Historie enorm lebendig werden lässt.

Durch die beiden Protagonistinnen Rahel und Barbara gelingt es der Autorin hervorragend, sowohl ein Bild der privilegierten Gesellschaft, als auch der hart arbeitenden Bevölkerung Berlins zu zeichnen. An der Seite der historischen Persönlichkeit Dr. Rahel Hirsch begeben sich die Leser auf eine Reise durch die Welt der medizinischen Fortschritte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Einsatz der ersten Röntgengeräte, die Forschung nach einem Mittel gegen die Syphilis, die Entwicklung der Chemotherapie und eines Serums gegen die Diphterie werden eindrucksvoll beschrieben, wobei auch die tatsächlich beteiligten Persönlichkeiten wie z.B. Professor Paul Ehrlich, der Mikrobiologe Robert Koch und Dr. August von Wassermann ihre berechtigten Auftritte haben.

Barbara Schubert, die durch ihren Berliner Dialekt besonders authentisch wirkt, übernimmt die Rolle der kämpferischen jungen Frau aus der Arbeiterklasse, die in die SPD eintritt und sich gegen die Unterdrückung der Frau und für die Gleichstellung der Geschlechter stark macht. In diesem Zusammenhang haben auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht immer wieder Auftritte, ebenso wie die dänische Schauspielerin Asta Nielsen, die nicht nur der erste weibliche Filmstar in der Geschichte des Kinos war, sondern auch als starke unabhängige Frau bekannt ist.

Durch den fiktiven Michael Frankl und die historischen Persönlichkeiten Max Immelmann sowie den „Roten Baron“ Manfred von Richthofen erhält man während des Lesens tiefe Einblicke in die Flugzeugkonstruktion und welche Rolle die leidenschaftlichen Piloten während des Ersten Weltkrieg inne hatten. Melli Beese, die tatsächlich existierte, verkörpert in diesem Zusammenhang eine starke Frau, welche sich gegen alle Widerstände zur Pilotin ausbilden lässt und sogar eine Flugzeugmanufaktur gründet.

Die anfängliche Kriegseuphorie, aber auch die schrecklichen Ereignisse an der Front werden durch Schilderungen von Barbaras Cousin Franz, sowie durch Briefe und Berichte von verschiedenen Personen erschreckend real.

Fazit: Ulrike Schweikert gelingt es nahezu spielend, Geschichte lebendig werden zu lassen. Aufgrund der Dichte an historischen Fakten ist „Die Charité – Aufbruch und Entscheidung“ in meinen Augen aber kein Roman im klassischen Sinne, sondern eher ein Buch, in dem der Leser/die Leserin von zwei wunderbar charakterisierten Protagonistinnen durch das Deutschland, insbesondere durch das Berlin der Zeit von 1903 bis 1938 geführt wird. Trotz der umfassenden geschichtlichen Tatsachen ist das Buch geradezu leicht zu lesen, die Schreibweise angenehm und flüssig. Unter „Dichtung und Wahrheit“ geht die Autorin dankenswerterweise besonders auf das Leben von Rahel Hirsch, Asta Nielsen und Melli Beese ein, was den Wissensdurst des interessierten Lesers zusätzlich stillt. Zu guter Letzt sollte noch erwähnt werden, dass dieser Roman völlig eigenständig und somit gänzlich unabhängig vom Lesen des ersten Teils ist.

Dieses Buch wird der Höchstwertung von fünf Sternen absolut gerecht.