„Wie sagt man ich liebe dich“ | |
von Claudia Winter | |
Bewertung
★★★★★
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Verlag | Goldmann |
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Buchform | Taschenbuch, eBook |
Erschienen | Juni 2020 |
Seiten | 475 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Vor zweieinhalb Jahren habe ich das Buch „Die Wolkenfischerin“ von Claudia Winter gelesen. Darin kam als Nebenfigur die gehörlose Maelys vor, der die Autorin nun einen eigenen Roman gewidmet hat, auf den ich schon sehr gespannt war, zumal diese Geschichte in Paris und in meinem Sehnsuchtsland Portugal spielt.
Darum geht es: Maelys ist aus der Bretagne nach Paris gezogen, wo sie bei ihrer Tante Valérie lebt und die Kunstakademie besucht, denn die junge Frau ist eine begabte Malerin. Doch als Gehörlose tut sie sich schwer, dem Unterricht zu folgen, außerdem hat ihre Tante immense Schulden, die sie aber beharrlich ignoriert. Also schmeißt Maelys heimlich das Studium und arbeitet stattdessen als Kellnerin und portraitiert Touristen am Montmartre. Dort trifft sie eines Tages den Portugiesen António, der ihr ein verlockendes Angebot macht: Sie soll ihn nach Lissabon begleiten und dort Antónios Großvater Eduardo malen. Die Bezahlung ist fürstlich, damit wären alle Schulden auf einen Schlag getilgt. Also macht Maelys sich auf den Weg, begleitet von ihrer Tante Valérie, die ein tiefes Misstrauen gegen alle Portugiesen hegt und ihre Nichte deshalb nicht alleine lassen will.
Angekommen in Portugal, bringt António die beiden Frauen nach Sintra, den Ort in den grünen Hügeln vor Lissabon, wo sie in der Villa des Großvaters wohnen sollen. Dieser allerdings lässt sich tagelang nicht blicken, verweigert jeden Kontakt und fordert António sogar auf, die beiden Französinnen wieder nach Hause zu schicken. Dabei war er es doch, der António ursprünglich mit einem alten Foto nach Paris geschickt hat, um Maelys zu finden und nach Sintra zu holen – wovon Maelys und Valérie jedoch keine Ahnung haben.
Maelys und António kommen sich langsam näher und auch zu Eduardo findet Maelys allmählich Zugang. Jedoch gibt es Menschen, die sie vor António warnen, schließlich ist der als Schwerenöter bekannt, der es nie lange bei einer Frau aushält. Kann ausgerechnet eine Gehörlose ihn für sich einnehmen? Maelys ist zutiefst verunsichert.
Parallel dazu wird die Geschichte der jüngeren Valérie erzählt, die in den 1960er Jahren ihr bretonisches Heimatdorf verlässt und in Paris ihr Glück versucht. Dabei verliebt sie sich in den Hilfskoch Frédo und die beiden verbringen eine herrliche Zeit miteinander, bis ein plötzlicher Besuch alles zunichte macht. Erst 50 Jahre später kommt es in Portugal zu einem unverhofften Wiedersehen. Und damit fangen die Turbulenzen erst richtig an…
Die Geschichte spielt abwechselnd in den 1960er Jahren in Paris und 2019 in Lissabon und ich kann beim besten Willen nicht sagen, welcher Erzählstrang mich mehr fasziniert hat. Die doch sehr unterschiedliche Atmosphäre beider Städte ist so gut eingefangen, ich sah mich selbst über die Boulevards von Paris flanieren und am Tejo-Ufer sitzen, Café au lait schlürfen und Pasteis de Nata verputzen. In beide Erzählstränge konnte ich vollkommen eintauchen und alles um mich herum vergessen.
Besonders berührend fand ich die Figur der gehörlosen Maelys. Die Autorin hat selbst gehörlose Eltern, kennt sich daher bestens mit dem Thema aus und kann es auch sehr einfühlsam beschreiben. Da mein eigener Vater seit drei Jahrzehnten extrem schwerhörig ist, betrifft mich dieses Thema auch ganz persönlich, wobei es natürlich große Unterschiede gibt zwischen einem Mann, der mit knapp 60 Jahren altersschwerhörig wird, und einem kleinen Mädchen, das mit drei Jahren infolge einer Hirnhautentzündung ihr Hörvermögen verliert. So kann Maelys sowohl die Gebärdensprache als auch von den Lippen lesen, außerdem kann sie sprechen, jedoch ihre Stimme nicht vollends kontrollieren. Mir hat imponiert, wie Maelys damit umgeht und wie offen sie Fremden gegenüber gleich ihre Gehörlosigkeit zur Sprache bringt, damit die sich darauf einstellen können. Auch mit den nicht immer schönen Reaktionen kann sie normalerweise souverän umgehen – wenn da nicht gerade ihr Herz mit im Spiel ist.
Kurzum: Ein Roman, der einerseits wunderbar sommerlich-leicht ist, andererseits aber eine gehörige Portion Tiefgang hat. Und für das perfekte portugiesische Lebensgefühl gibt es im Anhang zudem noch eine Reihe Rezepte, vom unumgänglichen Stockfisch (bacalhau) bis hin zu den unwiderstehlichen Pasteis de Nata.
Extra-Tipp: Auf der Webseite „Wie sagt man ich liebe dich“ hält die Autorin jede Menge Zusatz-Infos zum Roman parat. Da gibt es eine Leseprobe, einen Buchtrailer, eine Playlist sowie eine tolle Bloggeraktion: Mehrere Bloggerinnen haben Beiträge zu verschiedenen Aspekten des Buches geschrieben, u.a. zum Thema Gehörlosigkeit, zum Sehnsuchtsland Portugal, zu den Rezepten im Buch und und und…
Ich selbst war bisher dreimal im schönen Portugal: 2017 in Porto, 2016 an der Algarve und 2005 in Lissabon und Umgebung. Von dieser ersten Reise gibt es zwar keinen Reisebericht, aber jede Menge Fotos, unter anderem von Orten, die auch im Roman vorkommen: