Dein Lächeln um halb acht

Erstellt am 9.7.20. Kategorie: Buchrezensionen
„Dein Lächeln um halb acht“
von Laura Jane Williams
Bewertung
★★★★☆
Verlag Droemer Knaur
Buchform Taschenbuch, eBook
Erschienen Juni 2020
Seiten 336
Erhältlich beiAP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten

Glaubt Ihr an Liebe auf den ersten Blick? Bei Daniel, 30, aus London schlägt die Liebe jedenfalls ein wie ein Blitz, als er in der Mittagspause von Weitem zufällig Nadia im Gespräch mit ihrem Chef erblickt. Wenig später sieht er sie in der U-Bahn wieder. Wie es scheint, nimmt Nadia genau wie er jeden Morgen die Bahn, die um halb acht Uhr morgens die Station Angels passiert – normalerweise. Denn oft genug verschläft Nadia und nimmt einen späteren Zug, denn sie hat ja keine Ahnung, dass Daniel in der U-Bahn auf sie wartet, sich aber nicht traut, sie anzusprechen. Denn mal ehrlich: Welche gestandene Frau lässt sich denn morgens im von Pendlern überfüllten Zug von einem wildfremden Mann anquatschen?

Die Lösung bietet die Zeitungsrubrik „Missed Connections“, dort gibt Daniel eine Anzeige auf: „An die hinreißende Frau in der Northern Line mit den Kaffeeflecken auf dem Kleid…“ Anfangs glaubt Nadia gar nicht, dass sie gemeint sein könnte, doch ihre Freundinnen überreden sie zu einer Antwort, ebenfalls per Anzeige. Und so entwickelt sich allmählich ein witziger Dialog über die Zeitungsrubrik, der sowohl bei Daniel als auch bei Nadia ein wohliges Kribbeln auslöst. Nur mit einem echten Treffen klappt es leider nicht, immer kommt etwas dazwischen. Schließlich verabreden sich die beiden per Annonce zu einem Date – doch kurz bevor Nadia eintrifft, wird Daniel zu einem familiären Notfall gerufen und verlässt überstürzt das Lokal. Das war’s dann wohl – Nadia ist zutiefst verletzt, doch sie kann den U-Bahn-Mann einfach nicht vergessen. Auch Daniel versucht vergeblich, sich Nadia aus dem Kopf zu schlagen… und halb London verfolgt auf Twitter unter dem Hashtag #unserestation die verpatzte Liebesgeschichte!

Der Roman ist abwechselnd aus Nadias und aus Daniels Perspektive geschrieben. So bekommt man als Leser mit, wie die beiden sich immer wieder um Haaresbreite verpassen: Zufällig besuchen sie die gleichen Orte und Events, ohne sich jemals zu treffen, eine gemeinsame Kollegin kennt sie beide, kann sie einander aber nicht vorstellen, ihre Arbeitsstätten liegen nur einen Katzensprung voneinander entfernt.
Ihre einsamen Abende auf der Couch verbringen beide gerne mit Käse-Maccheroni und sie haben die gleiche Lieblingsserie im TV. Kurzum: Als Leser bekommt man den Eindruck, die beiden würden super zueinander passen, wenn sie sich nur endlich mal treffen würden.

Anfangs hat mich die Lektüre aber ein wenig ungeduldig gemacht: Warum zum Teufel schafft Nadia es nicht einmal, pünktlich die U-Bahn zu erwischen, um Daniel dort ausfindig zu machen? Überhaupt wollte ich alle beide gerne an den Schultern packen, kräftig durchschütteln und sagen: Nicht so viel grübeln, sondern machen! Auch die ständigen Diskussionen von Nadia und ihren Freundinnen rund um das Thema „Wie finde ich einen Mann?“ fand ich eher nervig. Aber dann wurde mir klar, dass ich da leicht reden habe: Ich bin seit 25 Jahren mit meiner Jugendliebe verheiratet, von der Dating-Szene habe ich überhaupt keine Ahnung, vor allem heutzutage, wo ohne Tinder und andere Dating-Apps anscheinend gar nichts mehr läuft. Daniel und Nadia sind beide um die 30, erfolgreich in ihren Jobs, stehen mitten im Leben. Aber ihr Freundeskreis verändert sich, immer mehr Freunde sind in festen Beziehungen, gründen Familien, ziehen aufs Land. Und für die Großstadt-Singles ist es gar nicht so leicht, mit Fremden ins Gespräch zu kommen…

Wie die beiden sich immer wieder fast über den Weg laufen und dann doch knapp verfehlen, ist witzig zu lesen. Und am Ende habe ich total mitgefiebert, ob es denn nun endlich, endlich zum ersehnten Treffen kommt oder ob doch wieder was dazwischen kommt. Und falls es zum Treffen kommt, ob die beiden sich dann tatsächlich so sympathisch sind oder ob sie ihre romantischen Vorstellungen voneinander revidieren müssen. Das hochdramatische Ende der Geschichte habe ich im Wartezimmer verschlungen und war mächtig dankbar, dass mein Arzttermin sich verzögert hat, denn so konnte ich ungestört den Roman zu Ende lesen, ich hätte mich nur ungern unterbrechen lassen.

Die Geschichte spielt in London, was bei mir natürlich viele schöne Urlaubserinnerungen geweckt hat. Die Stadt wird dabei sehr authentisch aus der Sicht von „Young Urban Professionals“ dargestellt, man erfährt sehr viel über die heutige Lebenswirklichkeit von jungen Singles in der Großstadt – für mich eine spannende Ergänzung zu meinen Eindrücken als Touristin. Der Klappentext des Romans hatte mich zunächst stark an „Ein Tag im Dezember“ von Josie Silver erinnert, eine Geschichte, die ebenfalls in London spielt und wo ein Blick durchs Busfenster für große Gefühle und viel Dramatik sorgt. Aber „Dein Lächeln um halb acht“ entwickelt sich dann doch in eine ganz eigene Richtung.

Fazit: Sehr lebenswert für London-Liebhaber, für Singles auf der Suche, für Pendler und für alle, die modern geschriebene romantische Geschichten mögen.