„Die schönsten Wochenendtrips“ | |
von Moritz Schumm | |
Bewertung
★★☆☆☆
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Verlag | Gräfe und Unzer |
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Buchform | gebunden, eBook |
Erschienen | Mai 2020 |
Seiten | 216 |
Erhältlich bei | AP Buch Baldham, Buchladen Vaterstetten |
Ich bin dann mal kurz weg… mal eben für ein Wochenende verreisen, einfach mal rauskommen, was anderes sehen – wer träumt nicht davon? Und man muss gar nicht weit weg fahren (oder gar fliegen), um tolle neue Eindrücke zu bekommen.
Das will auch dieser Bildband zeigen. Insgesamt 52 Tipps – also für jedes Wochenende im Jahr einen 😉 – enthält dieses Buch, übersichtlich gegliedert nach Regionen. Den Anfang macht dabei Deutschland mit 13 Tipps von Rostock im Nordosten bis Stuttgart im Südwesten, gefolgt von den Regionen Westeuropa, Mittel- und Südosteuropa, Nord- und Osteuropa und schließlich Südeuropa.
Es gibt aus derselben Reihe noch einen Bildband „Holiday Reisebuch: Die schönsten Wochenendtrips“, der mit Amsterdam, Barcelona, Paris, Rom und anderen insgesamt 52 Top-Ziele Europas vorstellt, sozusagen die Klassiker unter den Städte- und Kurzreisen (Neuauflage kommt im Oktober). Hier jedoch werden unter dem Motto „52 überraschende Städte für Entdecker“ eher Geheimtipps präsentiert, wie z.B. Bielefeld, Belfast, Belgrad, Breslau oder Bilbao.
Jede dieser Städte wird auf drei oder vier Seiten übersichtlich vorgestellt: Neben einem Einführungstext gibt es Infos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, zur Reisezeit, zu Übernachtungsmöglichkeiten und zur Anreise – je nach Entfernung mit dem Zug oder mit dem Flugzeug. Dazu kommen eine Übersichtskarte und stimmungsvolle Fotos, allerdings gibt es davon für meinen Geschmack deutlich zu wenig: Bei manchen Reisezielen ist nur ein einziges Foto abgebildet, bei einigen Zielen gibt es noch ein zweites, ganz, ganz selten auch ein drittes, viel zu kleines Foto.
Für mehr als einen kurzen Überblick pro Stadt reicht allerdings der Platz bei insgesamt 216 Seiten ganz einfach nicht aus. So bekommt man nicht mehr als einen ersten Eindruck von den Zielen und sollte sich dann für den jeweiligen Wochenendtrip lieber noch einen ausführlichen Reiseführer besorgen. Was meiner Meinung nach schmerzlich fehlt, sind Angaben zu den jeweiligen Tourist-Infos vor Ort bzw. deren Internetadressen, um sich dort weitere Infos zu beschaffen. Dafür hätte man sich meiner Ansicht nach die drei Hoteltipps pro Stadt komplett sparen können, denn damit kann man sowieso nicht für jeden Geschmack und Geldbeutel exemplarisch eine Empfehlung geben. Außerdem ist gerade die Hotellerie und Gastronomie oft recht kurzlebig, erst recht durch Corona, hier ändert sich schnell mal was und schon sind die Empfehlungen im Buch veraltet.
Was mich an diesem Bildband bzw. an dem ganzen Konzept jedoch wirklich stört, ist die Auswahl der Ziele: Viele sind für einen Wochenendtrip viel zu weit entfernt, z.B. Turku in Finnland oder Tanger in Marokko. Denn auch wenn eine Wochenendreise bestenfalls vier Tage dauert, so gehen doch zwei Tage schon allein für die An- und Abreise drauf, zumal viele dieser Ziele, eben weil es keine Metropolen sind, nicht direkt angeflogen werden, sondern nur mit Umsteigeverbindungen erreichbar sind. In diesem Zusammenhang muss auch die jeweils angegebene Reisedauer angezweifelt werden, es kann sich hier meiner Meinung nach nur um die reinen Flugzeiten in der Luft handeln, die den Aufenthalt am Umsteigeflughafen vollkommen außer Acht lassen.
Und überhaupt: Ist es eigentlich noch vertretbar, für einen Wochenendtrip mal eben ins Flugzeug zu steigen? Allein aus Klima- und Umweltschutzgründen muss das doch zumindest in Frage gestellt werden, von Corona will ich an dieser Stelle gar nicht reden. Hinzu kommt, dass manche Ziele so viel zu bieten haben, dass sich auch ein längerer Aufenthalt oder eine Rundreise lohnt. Das gilt für Cork in Irland ebenso wie für Sevilla in Spanien. Bei letzterem kann ich aus eigener Erfahrung sprechen, schließlich haben wir 2019 eine wunderbare Rundreise durch Andalusien gemacht. Wer nicht nur Sevilla, sondern auch Cordoba erleben will, muss nämlich ebenfalls über den Flughafen Sevilla anreisen, da lohnt es doch wirklich, diese beiden Städtetrips miteinander zu verbinden. Und wenn man dann schon mal da ist, gibt es in der Region auch noch so viel mehr zu entdecken!
Auf der anderen Seite fallen mir in Deutschland und in den direkt angrenzenden Nachbarländern so viele tolle Städte ein, die hier komplett fehlen, die aber auch einen Besuch wert und in kurzer Zeit erreichbar sind. Das Buch enthält leider pro deutschem Bundesland nur jeweils einen Tipp, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, das mit Bielefeld und Duisburg zweifach vertreten ist, wohingegen Niedersachsen, Hessen, das Saarland und die Stadtstaaten Hamburg und Berlin ganz fehlen (letztere sind aber vermutlich in dem eingangs genannten Buch mit dem Top-Tipps vertreten). Allein in Bayern, das hier nur von Bamberg repräsentiert wird, fallen mir auf Anhieb so viele schöne Städte ein, die vielleicht nicht zu den Top-Zielen gehören, aber für eine Städtereise von zwei, drei Tagen perfekt sind: Würzburg, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Straubing, Passau, Wasserburg am Inn, Rosenheim… und und und.
So gesehen wird dieses Buch der Zielsetzung, gute Empfehlungen für Wochenendreisen zu geben, leider nicht ganz gerecht. Weniger wäre in diesem Fall deutlich mehr gewesen, zumindest bei den Entferungen, Fotos hingegen sind definitiv zu wenig enthalten. Aber die eine oder andere Anregung habe ich immerhin dennoch mitgenommen. Und meine nächste Wochenendreise geht nach… Regensburg!
Nachtrag:
Kaum hatte ich diese Rezension geschrieben, sah ich im Fernsehen zufällig diese Sendung auf rbb: „Die 30 schönsten Sehnsuchtsorte“ (gemeint sind solche im Norden und Nordosten der Republik). Diese Sendung war so schön gemacht, dass ich mir mindestens bei der Hälfte der genannten Orte spontan eine Notiz machte: Da will ich unbedingt mal hin! Die gezeigten Beiträge bewiesen, dass es auch in der Nähe viele schöne, noch relativ unbekannte Ziele gibt, die eine Reise wert sind. Guckt unbedingt mal rein.